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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Geschäftsabschlusses vor. Ungeheure Zahlen flogen rasch hin und her.
    »Zweiundfünfzig Millionen, sagen Sie? Und der Kredit betrug?«
    »Sechzig Millionen, Herr Gundermann.«
    »Na schön! Erhöhen Sie ihn auf fünfundsiebzig Millionen.«
    Er wandte sich wieder der Baronin zu, als plötzlich ein Wort, das er aus dem Gespräch seines Schwiegersohnes mit einem Remisier aufschnappte, ihn aufspringen ließ.
    »Aber mitnichten! Bei einem Kurs von fünfhundertsiebenundachtzig fünfzig macht das pro Aktie zehn Sous weniger.«
    »Oh, Herr Gundermann«, sagte der Remisier demütig, »wegen der dreiundvierzig Francs weniger, die das ausmachen würde …«
    »Was heißt dreiundvierzig Francs! Das ist doch eine enorme Summe! Denken Sie denn, ich habe mein Geld gestohlen? Jedem das Seine, was anderes gibt es bei mir nicht!«
    Um endlich ungestört plaudern zu können, entschloß er sich, die Baronin in den Speisesaal mitzunehmen, wo bereits gedeckt war. Er fiel auf den Vorwand mit der Wohltätigkeitslotterie nicht herein, denn dank den Informationen, die ihm eine ganze Truppe ihm ergebener Geheimpolizisten lieferte, wußte er um ihre Liaison und ahnte wohl, daß irgendein schwerwiegender Grund sie hergetrieben haben mußte. So tat er sich keinen Zwang an.
    »Schießen Sie los und sagen Sie mir jetzt, was Sie mir zu sagen haben.«
    Aber sie spielte die Überraschte. Sie habe ihm nichts zu sagen, sie wolle ihm lediglich für seine Güte danken.
    »Hat man Sie denn nicht beauftragt, mir etwas auszurichten?«
    Und er schien enttäuscht, so als hätte er einen Augenblick lang geglaubt, sie käme in einer geheimen Mission von Saccard, mit irgendeiner Erfindung von diesem Verrückten.
    Jetzt, wo sie allein waren, schaute sie ihn mit ihren lügnerischen flammenden Blicken, die die Männer so unnütz reizten, lächelnd an.
    »Nein, nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen; doch weil Sie so gütig sind, möchte ich Sie gern um etwas bitten.«
    Sie hatte sich zu ihm gebeugt, sie streifte mit ihren  zarten, behandschuhten Händen seine Knie. Und sie beichtete, sprach von ihrer beklagenswerten Ehe mit einem Ausländer, der weder für ihre Natur noch für ihre Bedürfnisse Verständnis zeige, und erklärte, wie sie sich dem Börsenspiel habe zuwenden müssen, um nicht ihre gesellschaftliche Stellung zu verlieren. Schließlich sprach sie von ihrer Einsamkeit und von der Notwendigkeit, sich auf diesem schrecklichen Börsenpflaster, wo jeder falsche Schritt so teuer zu stehen kommt, beraten und lenken zu lassen.
    »Nanu«, unterbrach er sie, »ich dachte, Sie hätten jemand.«
    »Ach was, jemand«, murmelte sie mit einer Gebärde tiefer Verachtung. »Nein, nein, das ist nichts, ich habe niemand … Ich möchte Sie haben, den Meister, den Gott. Und es wäre wirklich so leicht für Sie, mein Freund zu sein, mir ein Wort zu sagen, nur hin und wieder ein Wort. Wenn Sie wüßten, wie glücklich Sie mich machten, wie dankbar ich Ihnen wäre, oh, mit meiner ganzen Person!«
    Sie rückte noch näher, hüllte ihn ein mit ihrem lauen Atem, mit dem feinen, starken Duft, den ihr ganzes Wesen ausströmte. Er aber blieb ganz ruhig und wich nicht einmal zurück, sein Fleisch war tot, es regte sich kein Stachel darin. Auch sein Magen war krank, und er lebte von Milchspeisen, doch während sie sprach, nahm er aus einer Obstschale auf dem Tisch eine Weinbeere nach der anderen und verzehrte sie mit einer mechanischen Bewegung, die einzige Ausschweifung, die er sich bisweilen in den ungewöhnlichen Stunden der Sinnenlust gestattete, auf die Gefahr hin, sie mit tagelangen Schmerzen bezahlen zu müssen.
    Als ein Mann, der weiß, daß er unbesiegbar ist, lächelte er spöttisch, als sich die Baronin im Feuer ihrer Bitte zu vergessen schien und ihm schließlich ihre verführerische kleine Hand mit den unersättlichen Fingern, geschmeidig wie Natterngeringel, auf die Knie legte. Freundlich ergriff er diese Hand, schob sie beiseite und bedankte sich mit einem Kopfnicken, wie für ein unnützes Geschenk, das man nicht annimmt. Und ohne seine Zeit weiter zu vertrödeln, steuerte er geradewegs auf das Ziel los.
    »Passen Sie auf, Sie sind sehr nett, ich möchte Ihnen gefällig sein … An dem Tag, beste Freundin, da Sie mir einen guten Tip bringen, verpflichte ich mich, Ihnen auch einen zu geben. Kommen Sie zu mir und sagen Sie mir, was man tut, dann sage ich Ihnen, was ich tun werde … Abgemacht?«
    Er hatte sich erhoben, und sie mußte mit ihm in den großen Raum nebenan

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