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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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nicht hätte widerstehen können. Und Saccard verzieh ihr, als sie auf seine brutale Frage antwortete, daß es, du lieber Gott, so umwerfend gar nicht gewesen sei. Er besuchte sie höchstens noch einmal in der Woche, nicht daß er ihr grollte, sondern weil sie ihn einfach langweilte.
    Wie nun die Baronin Sandorff merkte, daß er sich von ihr löste, fiel sie wieder in ihre Ratlosigkeit und in ihre Zweifel von früher zurück. Seit sie ihm in den Schäferstündchen die Beichte abnahm, hatte sie ohne Risiko spekuliert und hohe Gewinne erzielt, zur Hälfte an seinem Glück beteiligt. Jetzt sah sie deutlich, daß er nicht mehr antworten wollte, und befürchtete sogar, daß er sie belog. Sei es nun, daß das Glück sich wendete, sei es, daß er tatsächlich seinen Spaß daran hatte, sie auf eine falsche Fährte zu lenken – eines Tages verlor sie, als sie einen seiner Ratschläge befolgte. Ihr Glaube an ihn war erschüttert. Wenn er sie so irreführte, wer sollte sie dann künftig leiten? Und das schlimmste war, daß das feindselige Raunen gegen die Banque Universelle, das zunächst kaum spürbar war, an der Börse von Tag zu Tag stärker wurde. Noch waren es nur Gerüchte, Genaues wußte niemand zu sagen, kein einziger Fakt vermochte die Solidität des Hauses anzutasten. Man ließ nur verlauten, da müsse irgend etwas sein, da stecke der Wurm drin. Was übrigens nicht hinderte, daß die Aktien in gewaltigem Tempo weiter stiegen.
    Nach einer fehlgeschlagenen Spekulation mit italienischen Papieren beschloß die Baronin, nun sehr unruhig geworden, sich in die Redaktion der »Espérance« zu begeben und zu versuchen, Jantrou zum Plaudern zu bringen.
    »Was ist eigentlich los? Sie müssen es doch wissen … Eben sind die Universelle-Aktien noch um zwanzig Francs gestiegen, und dennoch ging da ein Gerücht um, niemand konnte mir sagen, was für eins, jedenfalls war es nichts Gutes.«
    Doch Jantrou befand sich in der gleichen Verlegenheit. An der Quelle der Gerüchte sitzend, die er selber nach Bedarf ausstreute, verglich er sich scherzhaft mit einem Uhrmacher, der zwischen Hunderten von Uhren lebt, aber nie die genaue Zeit weiß. Obschon er dank seiner Werbeagentur alle Geheimnisse kannte, hatte er keine eindeutige, feste Meinung mehr, denn die Nachrichten, die er erhielt, waren widersprüchlich und hoben einander auf.
    »Ich weiß nichts, überhaupt nichts.«
    »Oh, Sie wollen mir bloß nichts sagen.«
    »Nein, ich weiß nichts, Ehrenwort! Ich hatte schon vor, zu Ihnen zu kommen und Sie auszufragen! Ist denn Saccard nicht mehr nett zu Ihnen?«
    Sie vollführte eine Gebärde, die ihm bestätigte, was er erraten hatte: das Ende einer Liaison, deren Partner einander überdrüssig geworden waren, die Frau verdrossen, der Liebhaber abgekühlt und nicht mehr bereit, etwas auszuplaudern. Jantrou bedauerte einen Augenblick, daß er nicht die Rolle eines genau unterrichteten Mannes gespielt hatte, um sich endlich diese kleine Ladricourt zu leisten, wie er sagte, deren Vater ihn mit Fußtritten empfangen hatte. Aber er fühlte, daß seine Zeit noch nicht gekommen war; laut nachdenkend, sah er sie unentwegt an.
    »Ja, das ist ärgerlich, ich hatte mich auf Sie verlassen … Denn wenn es eine Katastrophe geben sollte, müßte man ja vorher Bescheid wissen, nicht wahr, um seine Maßnahmen treffen zu können … Oh, ich glaube nicht, daß es eilt, die Bank ist durchaus noch zahlungsfähig. Bloß man sieht so komische Sachen …«
    Wie er sie so anschaute, reifte in seinem Kopf ein Plan heran.
    »Passen Sie auf«, versetzte er unvermittelt, »wenn Saccard Sie im Stich läßt, müßten Sie sich mit Gundermann gut stellen.«
    Im ersten Moment war sie überrascht.
    »Warum mit Gundermann? Ich kenne ihn nur flüchtig, ich bin ihm bei den Roivilles und bei den Kellers begegnet.«
    »Um so besser, wenn Sie ihn kennen … Besuchen Sie ihn unter irgendeinem Vorwand, plaudern Sie mit ihm, versuchen Sie, seine Freundin zu werden … Stellen Sie sich das vor: als Gundermanns gute Freundin regieren Sie die Welt!«
    Und während er mit einer Gebärde schamlose Hintergedanken andeutete, grinste er, denn die Kälte des Juden war bekannt; ihn zu verführen dürfte sehr verzwickt und schwierig sein. Die Baronin hatte verstanden und lächelte stumm, ohne böse zu werden.
    »Aber warum ausgerechnet Gundermann?« wiederholte sie.
    Da erklärte er ihr, daß letzterer sicherlich an der Spitze der Baissiers stand, die anfingen, gegen die Banque Universelle zu

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