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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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zurückkehren. Sie hatte den Handel, den er vorschlug, vollkommen begriffen: Spionage, Verrat. Aber sie wollte nicht antworten, sie fing wieder von ihrer Wohltätigkeitslotterie an; indessen schien er ihr mit seinem spöttischen Kopfnicken zu bedeuten, daß er auf ihre Hilfe nicht angewiesen sei, das logische, unvermeidliche Ende käme ohnehin, vielleicht nur ein wenig später. Und als sie endlich ging, nahmen ihn schon wieder andere Geschäfte in Anspruch, mitten in dem riesigen Tumult dieser Markthalle des Kapitals, wo der Vorbeimarsch der Börsenleute und der Galopp seiner Angestellten kein Ende fanden und seine Enkelkinder bei ihren Spielen soeben mit Triumphgeheul der Puppe den Kopf abgerissen hatten. Er hatte sich an seinen schmalen Tisch gesetzt, vertiefte sich in das Für und Wider einer Idee, die ihm plötzlich gekommen war, und hörte nichts mehr.
    Zweimal begab sich die Baronin Sandorff in die Redaktion der »Espérance«, ohne Jantrou anzutreffen, dem sie von ihrem Schritt berichten wollte. Eines Tages endlich ließ Dejoie sie eintreten, als seine Tochter Nathalie auf einer Bank im Flur gerade mit Frau Jordan plauderte. Seit dem Vorabend ging ein sintflutartiger Regen nieder, und bei diesem feuchten, grauen Wetter war der Zwischenstück des alten Hauses hinter dem düsteren Hofschacht von schrecklicher Schwermut erfüllt. Die Gasbeleuchtung brannte in einem schmutzigen Zwielicht. Marcelle wartete auf Jordan, der auf der Jagd nach einer neuen Abschlagszahlung für Busch war, und hörte mit trauriger Miene zu, wie Nathalie voll Eitelkeit mit ihrer kehligen Stimme und den eckigen Gebärden eines Pariser Mädchens, das zu schnell gewachsen ist, unaufhörlich schnatterte.
    »Sie verstehen, Frau Jordan, Papa will nicht verkaufen … Da ist jemand, der ihn drängt zu verkaufen und ihm angst zu machen versucht. Ich will den Namen dieser Person nicht nennen, denn ihre Aufgabe ist es sicher nicht, die Leute zu erschrecken … Jetzt bin ich es, der Papa am Verkaufen hindert. Nie im Leben verkaufe ich, solange der Kurs steigt! Da müßte man schön dumm sein, nicht wahr?«
    »Sicher!« gab Marcelle einfach zur Antwort.
    »Sie wissen, daß wir bei zweitausendfünfhundert stehen«, fuhr Nathalie fort. »Ich führe Buch, denn Papa kann kaum schreiben … Mit unseren acht Aktien bringt uns das schon zwanzigtausend Francs ein. Hübsch, was? Papa wollte zuerst bei achtzehntausend Schluß machen, soviel hatte er sich ausgerechnet: sechstausend Francs für meine Mitgift und zwölftausend für sich, eine kleine Rente von sechshundert Francs, die er nach all diesen Aufregungen dann bekommen hätte … Aber sagen Sie selbst, ist es nicht gut, daß er nicht verkauft hat? Mit einmal sindʼs schon zweitausend Francs darüber! Und jetzt wollen wir noch mehr, wir wollen eine Rente von mindestens tausend Francs. Und die werden wir haben, Herr Saccard hat es uns gesagt … Er ist so nett, der Herr Saccard!«
    Marcelle mußte lächeln.
    »Sie wollen also nicht mehr heiraten?«
    »Doch, doch, wenn der Kurs aufhört zu steigen … Wir hattenʼs eilig, Théodores Vater vor allem, wegen seines Geschäfts. Bloß, was wollen Sie machen? Man kann doch nicht die Quelle zustopfen, solange das Geld fließt. Oh, Théodore versteht das sehr gut, denn wenn Papa mehr Jahreszinsen hat, so bringt uns das eines Tages mehr Kapital ein. Das ist doch zu bedenken … Und jetzt warten ja alle Leute. Die sechstausend Francs haben wir schon seit Monaten, wir könnten heiraten; aber wir lassen das Geld lieber Junge kriegen … Lesen Sie die Artikel über die Aktien?«
    Und ohne die Antwort abzuwarten, fuhr sie fort:
    »Ich lese sie jeden Abend. Papa bringt mir die Zeitungen mit … Er hat sie immer schon gelesen, aber ich muß sie ihm noch einmal vorlesen … Man bekommt es nie über, so schön ist das alles, was sie versprechen. Wenn ich ins Bett gehe, ist mir der Kopf ganz voll davon, und in der Nacht träume ich davon. Papa sagt auch, daß er Dinge sieht, die ein sehr gutes Zeichen sind. Vorgestern hatten wir beide denselben Traum, auf der Straße haben wir die Hundertsousstücke schaufelweise aufgelesen. Das war richtig lustig.«
    Erneut hielt sie inne, um zu fragen:
    »Wieviel Aktien haben Sie denn?«
    »Wir? Nicht eine!« antwortete Marcelle.
    Nathalies kleines Gesicht mit den wehenden blonden Locken nahm den Ausdruck unermeßlichen Erbarmens an. Ach, die armen Leute, die keine Aktien hatten! Aber weil ihr Vater sie gerufen hatte, für den sie auf dem

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