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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Heimweg nach Batignolles ein Paket Korrekturfahnen zu einem Redakteur bringen sollte, ging sie weg, mit dem lustig anzusehenden Gehabe einer Kapitalistin, die jetzt fast täglich in die Redaktion kam, um früh genug den Börsenkurs zu erfahren.
    Allein auf der Bank sitzend, verfiel Marcelle, die für gewöhnlich so fröhlich und so tapfer war, wieder in eine schwermütige Träumerei. Mein Gott, dieses finstere, traurige Wetter! Und ihr armer Mann lief bei diesem Wolkenbruch durch die Straßen! Er hegte solche Verachtung für das Geld, ihm war so unbehaglich schon bei dem bloßen Gedanken, sich damit befassen zu müssen! Und es fiel ihm so schwer, um Geld zu bitten, auch wenn er sich an Leute wenden sollte, die ihm welches schuldeten! In sich versunken, hörte Marcelle nichts, sondern ließ noch einmal, vom Erwachen an, diesen bösen Tag an sich vorüberziehen, während rings um sie fieberhaft an der Zeitung gearbeitet wurde, der Galopp der Redakteure, das Hin und Her der Druckvorlagen, das Türenschlagen und Klingelläuten kein Ende nahmen.
    Gleich früh um neun, als Jordan gerade losgegangen war – er sollte ausführlich über einen Unfall berichten – und Marcelle sich kaum gewaschen hatte und noch im Morgenrock dastand, erlebte sie die Überraschung, daß ihr Busch ins Haus schneite, in Begleitung zweier dreckiger Herren, die vielleicht Gerichtsvollzieher, vielleicht auch Gauner waren, ganz genau hätte sie es nicht sagen können. Dieser ekelhafte Busch, der sich zweifellos den Umstand zunutze machte, daß er nur eine Frau antraf, erklärte, sie wollten alles pfänden, wenn Marcelle ihn nicht auf der Stelle bezahlte. Sie mochte sich noch so sträuben, weil ihr keine der gesetzlichen Formalitäten zur Kenntnis gebracht worden war: er behauptete mit solcher Entschiedenheit, das Urteil sei zugestellt und öffentlich ausgehängt, daß sie darüber außer sich geriet und am Ende gar glaubte, diese Dinge seien möglich, ohne daß man davon erfuhr. Aber sie kapitulierte keineswegs, sondern erklärte, ihr Mann komme zum Mittagessen nicht nach Hause und sie lasse nichts anrühren, bevor er nicht da sei. Nun kam es zwischen den drei zweifelhaften Gestalten und dieser jungen Frau, die noch nicht einmal richtig angezogen war und der die Haare auf die Schultern hingen, zu einer äußerst unerquicklichen Szene, als die Männer bereits die einzelnen Gegenstände aufnahmen, während sie die Schränke abschloß und sich vor die Tür warf, als wollte sie die Eindringlinge daran hindern, etwas herauszuschaffen. Sie war so stolz auf ihre armselige kleine Wohnung, auf die paar Möbel, die sie immer auf Hochglanz brachte, auf die baumwollene rote Wandbespannung im Wohnzimmer, die sie selbst angenagelt hatte! Und sie schrie mit kriegerischer Tapferkeit, sie müßten über ihre Leiche hinwegschreiten; und ohne zu überlegen, schimpfte sie Busch einen Schurken und Dieb: ja, ein Dieb, der sich nicht schämt, für einen Schuldschein über dreihundert Francs, den er zusammen mit einem Haufen Lumpen und altem Eisen für hundert Sous gekauft hat, siebenhundertdreißig Francs und fünfzehn Centimes zu fordern, nicht gerechnet die neuerlichen Unkosten! Dabei haben sie schon vierhundert Francs abgezahlt, und jetzt spricht dieser Dieb davon, ihnen die Möbel wegzunehmen als Zahlung für dreihundert und etliche Francs, die er ihnen noch stehlen will! Und er weiß genau, daß sie ehrlich sind, daß sie ihn sofort bezahlen würden, wenn sie das Geld hätten. Und er zieht bloß Nutzen daraus, daß sie allein ist und keine Antwort geben kann, weil sie sich in Rechtsfragen nicht auskennt, und will sie erschrecken und zum Weinen bringen. »Schurke! Dieb! Dieb!« Wütend schrie Busch noch lauter als sie und schlug sich heftig an die Brust: war er nicht ein ehrlicher Mann? Hatte er nicht den Schuldschein mit gutem Geld bezahlt? Er war im reinen mit dem Gesetz, er wollte mit der Sache zu einem Ende kommen. Als indessen eine der beiden dreckigen Figuren die Schubfächer der Kommode öffnete und nach Wäsche suchte, nahm Marcelle eine so schreckliche Haltung ein und drohte, das ganze Haus und die Straße aufzuwiegeln, daß Busch etwas umgänglicher wurde. Nachdem sie sich abermals eine halbe Stunde gestritten hatten, diesmal leise, willigte er schließlich ein, bis zum nächsten Tag zu warten, und schwor wütend, daß er dann alles mitnehmen würde, falls sie ihr Wort brechen sollte! Oh, wie litt sie noch unter der brennenden Schmach, diese gemeinen Männer

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