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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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in die Hände, die die Handschrift erkannte. Sie zitterte und fragte sich einen Augenblick, ob sie nicht zu Busch laufen und ihn abfinden sollte. Dann sagte sie sich, er habe vielleicht wegen einer ganz anderen Sache geschrieben, auf jeden Fall käme man auf diese Art und Weise zu einem Ende, und in ihrer Erregung war sie sogar froh, daß ein anderer die unangenehme Aufgabe übernahm, Saccard diese Geschichte zu eröffnen. Aber als Saccard am Abend nach Hause kam und in ihrem Beisein den Brief öffnete, sah sie nur, wie er ernst wurde, und sie vermutete irgendeine komplizierte Geldangelegenheit. Er war allerdings sehr überrascht, die Kehle war ihm wie zugeschnürt bei dem Gedanken, in so schmutzige Hände zu fallen, und er witterte irgendeine Gemeinheit. Mit einer ruhigen Bewegung steckte er den Brief in die Tasche und beschloß, zu der Verabredung zu gehen.
    Tage vergingen, die zweite Novemberhälfte brach an, und Saccard schob allmorgendlich den Besuch auf, betäubt von dem Strom der Ereignisse, der ihn mit fortriß. Der Kurs hatte zweitausenddreihundert Francs überschritten, Saccard war begeistert, obwohl er spürte, daß an der Börse ein Widerstand aufkam und in dem Maße zunahm, wie die Hausse immer toller wurde. Offenbar bezog eine Gruppe von Baissiers Stellung und nahm, zunächst noch schüchtern, mit einfachen Vorpostengefechten den Kampf auf. Und zweimal glaubte er sich genötigt, durch Strohmänner selbst Kauforders zu erteilen, damit die ansteigende Tendenz der Kurse nicht gefährdet würde. Das System einer Gesellschaft, die ihre eigenen Papiere kauft, mit ihnen spekuliert und sich dadurch selbst auffrißt, begann zu wirken.
    Eines Abends konnte Saccard, von seiner Leidenschaft geschüttelt, sich nicht enthalten, mit Frau Caroline darüber zu sprechen.
    »Ich glaube schon, daß es bald heiß hergehen wird. Oh, wir sind jetzt zu stark, wir sind ihnen zu sehr im Wege … Ich wittere Gundermann, das ist seine Taktik: er wird jetzt regelmäßig verkaufen, heute so viel, morgen soundso viel, und er wird immer höher gehen, bis er uns ins Wanken bringt …«
    Sie unterbrach ihn mit ihrer ernsten Stimme.
    »Falls er Universelle-Aktien besitzt, hat er recht, wenn er sie verkauft.«
    »Wieso hat er recht, wenn er sie verkauft?«
    »Mein Bruder hat es Ihnen doch sicherlich gesagt: die Kurse ab zweitausend sind vollkommen irrsinnig.«
    Er schaute sie an und platzte los, ganz außer sich.
    »Na dann verkaufen Sie doch, wagen Sie es doch, selber zu verkaufen … Ja, spekulieren Sie gegen mich, wenn Sie meine Niederlage wollen.«
    Sie errötete leicht, denn erst tags zuvor hatte sie, um den Weisungen ihres Bruders zu gehorchen, tausend ihrer Aktien verkauft, auch selbst erleichtert durch diesen Verkauf wie durch einen verspäteten Akt der Ehrlichkeit. Aber da er sie nicht direkt fragte, gestand sie es ihm auch nicht ein und war nur um so verlegener, als er hinzufügte:
    »Gestern sind schon einige abtrünnig geworden, ich bin mir da sicher. Ein ganzes Aktienpaket ist auf den Markt gekommen, die Kurse hätten bestimmt nachgegeben, wenn ich nicht eingegriffen hätte … Gundermann macht nicht solche Geschichten. Er hat eine langsamere Methode, die erst auf die Dauer vernichtender wirkt … Ach, meine Liebe, ich bin beruhigt und zittere trotzdem, denn sein Leben zu verteidigen, das ist gar nichts, viel schlimmer ist es, sein eigenes und anderer Leute Geld zu verteidigen.«
    In der Tat war Saccard von diesem Augenblick an nicht mehr Herr seiner selbst. Er war der Mann der Millionen, die er gewann, triumphierend und doch unaufhörlich in Gefahr, geschlagen zu werden. Er fand nicht einmal mehr die Zeit, die Baronin Sandorff in der kleinen Parterrewohnung in der Rue Caumartin zu besuchen. In Wahrheit hatte sie ihn durch die trügerische Flamme ihrer Augen ernüchtert, durch jene Kälte, die zu überwinden auch seinen perversen Experimenten nicht gelang. Außerdem war ihm das gleiche Ungemach widerfahren wie seinerzeit Delcambre: eines Abends hatte er, diesmal durch die Dummheit einer Zofe, die Wohnung gerade in dem Augenblick betreten, als die Baronin in den Armen Sabatanis lag. In der stürmischen Auseinandersetzung, die darauf folgte, hatte er sich erst nach dem umfassenden Geständnis beruhigt, daß es einfach nur Neugier gewesen sei, frevelhaft zwar, aber doch so erklärlich. Von diesem Sabatani sprachen alle Frauen wie von einem Phänomen, man tuschelte, das Ding sei so enorm, daß sie der Lust, es selbst zu sehen,

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