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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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emporhoben, verspürte er allabendlich ein hemmungsloses Bedürfnis nach Betäubung. Er konnte nicht allein bleiben, ging zum Essen in ein Restaurant und beschloß seine Nächte in den Armen einer Frau. Nie hatte er sein Leben so sinnlos vergeudet: er war überall, trieb sich in den Theatern herum, in den Nachtlokalen, wo man soupieren kann, und gab das Geld mit vollen Händen aus, als hätte er zuviel davon. Er mied Frau Caroline, deren Ermahnungen ihn verlegen machten; immer erzählte sie von den sorgenvollen Briefen ihres Bruders und war selbst über seinen erschreckend gefährlichen Haussefeldzug untröstlich. Aber er traf sich wieder öfter mit der Baronin Sandorff, als könnte diese kalte Perversion in der unbekannten kleinen Parterrewohnung der Rue Caumartin ihn ablenken, ihm eine Stunde des Vergessens schenken, die er zur Entspannung seines von den Strapazen überanstrengten Gehirns brauchte. Bisweilen flüchtete er hierher, um bestimmte Akten durchzusehen und über bestimmte Geschäfte nachzudenken; er war glücklich, sich sagen zu können, daß niemand auf der Welt ihn hier stören würde. Jäh übermannte ihn dabei der Schlaf, und er schlummerte ein oder zwei Stunden, die einzigen köstlichen Stunden, in denen seine Unruhe erlosch. Die Baronin hatte bei solcher Gelegenheit keine Bedenken mehr, seine Taschen zu durchwühlen und die Briefe in seiner Brieftasche zu lesen; denn er war völlig stumm geworden, sie bekam keinen einzigen nützlichen Tip mehr von ihm und war sogar überzeugt, daß er log, wenn sie ihm ein Wort entriß, so daß sie nicht mehr auf seine Angaben hin zu spekulieren wagte. Indem sie ihm auf diese Weise seine Geheimnisse stahl, hatte sie Gewißheit darüber erlangt, mit welchen Kapitalschwierigkeiten die Banque Universelle zu kämpfen hatte, ein ganzes verzweigtes System von Schuldscheinen, Gefälligkeitsakzepte, die die Firma klugerweise im Ausland diskontieren ließ. Als Saccard eines Abends zu früh aufwachte und sie ertappte, wie sie gerade seine Brieftasche durchsuchte, ohrfeigte er sie wie eine Dirne, die den Herren Geld aus der Westentasche angelt; und seitdem prügelte er sie, was beide zunächst rasend machte, dann aber ermattete und beruhigte.
    Indessen schmiedete die Baronin nach der Liquidation vom 15., bei der sie an die zehntausend Francs bezahlt hatte, einen Plan. Sie war davon wie besessen und fragte schließlich Jantrou um Rat.
    »O ja«, antwortete dieser, »ich glaube, Sie haben recht; es ist Zeit, zu Gundermann überzulaufen. Besuchen Sie ihn und erzählen Sie ihm die Geschichte. Er hat Ihnen doch versprochen, er wolle Ihnen an dem Tage, da Sie ihm einen guten Tip bringen, als Gegenleistung ebenfalls einen Rat geben.«
    Gundermann hatte an dem Morgen, als die Baronin zu ihm kam, eine Hundelaune. Noch am Vortag hatte die Universelle wieder angezogen. Es nahm also kein Ende mit dieser gefräßigen Bestie, die schon soviel von seinem Gold verschlungen hatte und nicht krepieren wollte. Sie war imstande, wieder auf die Beine zu kommen und am 31. des Monats erneut mit einem Kursgewinn zu schließen; und er schimpfte, daß er sich auf diese unheilvolle Rivalität eingelassen hatte, vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er sich an der neuen Firma beteiligt hätte. In seiner gewohnten Taktik erschüttert, hatte er den Glauben an die unvermeidlich triumphierende Logik eingebüßt und wäre in dieser Minute bereit gewesen, zum Rückzug zu blasen, wenn er hätte zurückweichen können, ohne alles zu verlieren. Solche Augenblicke der Mutlosigkeit, die die größten Feldherrn noch am Vorabend des Sieges durchgemacht haben, wenn die Menschen und die Dinge ihren Erfolg wollen, waren bei Gundermann selten. Diese Trübung eines scharfen, für gewöhnlich so klaren Blicks rührte von dem Nebel her, der auf die Dauer jene geheimnisvollen Börsenoperationen umgibt, deren Urheber nie mit Sicherheit zu benennen sind. Gewiß kaufte Saccard und spekulierte auch. Aber tat er es für seriöse Kunden? Geschah es auf Rechnung der Gesellschaft? Gundermann kannte sich in dem Klatsch, den man ihm von allen Seiten zutrug, am Ende nicht mehr aus. Die Türen seines riesigen Arbeitszimmers knallten, das gesamte Personal zitterte vor seinem Zorn, er empfing die Remisiers so grob, daß ihr gewohnter Vorbeimarsch in den Galopp einer wilden Flucht umschlug.
    »Ach, Sie sind es«, sagte Gundermann ohne jede Höflichkeit zu der Baronin. »Ich habe heute keine Zeit mit Frauen zu verlieren.«
        Sie war

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