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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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soweit!« sagte Delarocque mit der Vertraulichkeit eines Mannes, der Mitglied des gleichen Klubs ist. »Ich verlasse mich auf Ihre Freundschaft, nicht wahr, denn die Sache ist ziemlich heikel … Stellen Sie sich vor, Jacoby, mein Schwager, war so freundlich, mich über einen Coup zu verständigen, der vorbereitet wird. Bei der morgigen Börse sind Gundermann und seine Leute entschlossen, die Universelle hochgehen zu lassen. Sie wollen das ganze Paket auf den Markt werfen … Jacoby hat schon die Orders, er ist rasch zu mir gekommen …«
    »Verdammt!« sagte Daigremont nur, der blaß geworden war.
    »Sie verstehen, ich habe sehr starke Hausse-Engagements, für etwa fünfzehn Millionen, genug, um sich den Hals zu brechen … Und deshalb habe ich, nicht wahr, einen Wagen genommen und suche meine seriösen Kunden auf. Das ist zwar nicht korrekt, aber ich tuʼs in guter Absicht …«
    »Verdammt!« wiederholte der andere.
    »Kurz und gut, mein lieber Freund, da Sie ungedeckt spekulieren, muß ich Sie bitten, mir eine Sicherheit zu geben oder Ihren Auftrag rückgängig zu machen.«
    Daigremont stieß einen Schrei aus.
    »Machen Sie alles rückgängig, machen Sie alles rückgängig, mein Lieber … Ist das die Möglichkeit! Ich bleibe nicht in Häusern, die einstürzen, das ist unnützes Heldentum … Kaufen Sie nicht, verkaufen Sie! Ich habe für fast drei Millionen bei Ihnen, verkaufen Sie, verkaufen Sie alles!«
    Und als sich Delarocque auf den Weg machte und sagte, er müsse noch andere Kunden aufsuchen, nahm Daigremont seine Hände und drückte sie kräftig.
    »Danke, das vergesse ich Ihnen nie. Verkaufen Sie, verkaufen Sie alles!«
    Allein geblieben, rief er seinen Kammerdiener zurück, um sich Haar und Bart richten zu lassen. Oh, das war ihm eine Lehre! Diesmal hätte er sich beinahe wie ein Kind verschaukeln lassen. Was mußte er sich auch mit einem Verrückten einlassen!
    Abends an der kleinen Acht-Uhr-Börse begann die Panik. Diese Börse fand damals auf dem Bürgersteig des Boulevard des Italiens am Eingang der Passage de lʼOpéra statt; vertreten war nur die Kulisse, die inmitten einer verdächtigen Meute von Maklern, Remisiers und anrüchigen Spekulanten operierte. Straßenhändler boten ihre Ware feil, Kippensammler krochen auf allen vieren durch das Menschengewimmel. Den Boulevard versperrend, blieb diese Herde hartnäckig versammelt, wurde vom Strom der Spaziergänger mitgerissen und getrennt, bildete sich aber immer wieder neu. An diesem Abend waren es nahezu zweitausend Menschen, dank der Milde des bedeckten, dunstigen Himmels, der nach den schrecklichen Frösten Regen verhieß. Der Markt war sehr lebhaft, man bot Universelle-Aktien von allen Seiten an, die Kurse fielen rasch. Bald verbreiteten sich Gerüchte, allenthalben wuchs die Angst. Was ging überhaupt vor sich? Mit gedämpfter Stimme nannte man sich die mutmaßlichen Verkäufer, je nach dem Remisier, der die Order gab, oder nach dem Kulissenmakler, der sie ausführte. Wenn die Großen so verkauften, war bestimmt etwas Ernstes im Anzug. Und so gab es von acht bis zehn Uhr ein einziges Geschiebe und Gedränge, alle Spekulanten mit Gespür machten ihre Aufträge rückgängig, sogar Käufer verlegten sich noch rechtzeitig aufs Verkaufen. Mit fieberndem Unbehagen legte man sich zu Bett, wie am Vorabend der großen Katastrophen.
    Am nächsten Tag war das Wetter abscheulich. Es hatte die ganze Nacht geregnet, ein eiskalter Sprühregen ging über der Stadt nieder, die das Tauwetter in einen Morast von breiigem gelbem Schlamm verwandelt hatte. Von halb eins an rumorte in diesem Geriesel die Börse. Die Menge, die sich unter die Vorhalle und in den Saal geflüchtet hatte, war ungemein groß, und durch die tropfenden nassen Regenschirme war bald der ganze Saal zu einer riesigen schlammigen Pfütze geworden. Der schwarze Dreck an den Wänden wurde feucht, und durch das Glasdach drang nur ein schwaches rötliches Tageslicht von untröstlicher Schwermut.
    Inmitten der bösen Gerüchte und seltsamen Geschichten, die umliefen und die Köpfe verwirrten, suchten schon beim Eintreten alle Blicke Saccard und musterten ihn. Er stand auf seinem Posten neben dem gewohnten Pfeiler und trug wie üblich seine tapfere Heiterkeit und seine unbedingte Zuversicht zur Schau, wie an den Tagen des Triumphes. Er wußte, daß die Universelle tags zuvor an der kleinen Abendbörse um dreihundert Francs gesunken war; er witterte eine ungeheure Gefahr und war auf einen wütenden

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