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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wollte. Ihn verfolgte seine große Idee, die riesige Armee von sechshundert Millionen, die es für die Eroberung der Welt noch auszuheben galt. Daigremont empfing ihn mit gewohnter Liebenswürdigkeit in seinem fürstlichen Palais, inmitten seiner wertvollen Gemälde, inmitten dieses ganzen strahlenden Luxus, den alle vierzehn Tage die Börsendifferenzen bezahlten, ohne daß man genau wußte, was sich eigentlich an Solidem hinter diesem Dekor verbarg, den eine Laune des Glücks jederzeit hinwegraffen konnte. Bis jetzt hatte er die Universelle nicht verraten; er hatte sich geweigert zu verkaufen und ein unbedingtes Vertrauen zur Schau getragen, er gefiel sich in dieser Haltung des flotten Haussespekulanten, die ihm übrigens dicke Gewinne verschaffte. Auch nach der schlechten Liquidation vom 15. hatte er nicht mit der Wimper gezuckt; er sei überzeugt, sagte er überall, daß die Hausse wieder einsetzen werde. Dennoch lag er auf der Lauer und war bereit, beim ersten ernsthaften Anzeichen zum Feind überzulaufen. Saccards Besuch, die außergewöhnliche Energie, die er zur Schau stellte, die ungeheure Idee, die er ihm entwickelte, nämlich alle Aktien auf dem Markt aufzukaufen, erfüllten Daigremont mit echter Bewunderung. Das war zwar Wahnsinn, aber sind die großen Kriegshelden und Finanzleute nicht oft nur Verrückte, die Erfolg haben? Und er versprach ausdrücklich, Saccard schon bei der morgigen Börse zu Hilfe zukommen: er habe sich bereits stark engagiert und werde bei Delarocque, seinem Makler, vorsprechen, um sich weiter zu engagieren; außerdem wolle er seine Freunde besuchen und ein richtiges Konsortium zur Verstärkung heranführen. Nach seiner Ansicht konnte man dieses neue Armeekorps, das jederzeit einsatzbereit wäre, auf etwa hundert Millionen beziffern. Das müßte reichen. Strahlend und siegesgewiß umriß Saccard auf der Stelle den Schlachtplan, eine Umgehungsbewegung von seltener Kühnheit, die er den erlauchtesten Feldherrn abgeschaut hatte: bei Börsenbeginn zunächst ein einfaches Scharmützel, um die Baissiers zu ködern und um ihnen Vertrauen einzuflößen; wenn sie dann einen ersten Erfolg erzielt hätten, wenn die Kurse sanken, sollten Daigremont und seine Freunde mit ihrem schweren Geschütz eintreffen, mit diesen unerwarteten Millionen aus einer Geländefalte hervorbrechen, die Baissiers von hinten packen und sie überrennen. Das gäbe ein Zerschmettern, ein Gemetzel. Die beiden Männer trennten sich mit Handschlag und Triumphgelächter.
    Als sich Daigremont eine Stunde später ankleiden wollte, um in der Stadt zu Abend zu speisen, bekam er weiteren Besuch, diesmal von der Baronin Sandorff. In ihrer Verwirrung war ihr die Eingebung gekommen, ihn um Rat zu fragen. Eine Zeitlang hatte es geheißen, sie sei seine Geliebte, aber in Wirklichkeit bestand zwischen ihnen nur eine sehr zwanglose Kameradschaft. Beide waren zu katzenschlau, durchschauten sich gegenseitig zu sehr, als daß sie den Schwindel einer Liaison eingegangen wären. Sie erzählte von ihren Befürchtungen, von dem Schritt bei Gundermann und von dessen Antwort, verhehlte allerdings den verräterischen Eifer, der sie getrieben hatte. Und Daigremont lachte; er machte sich einen Spaß daraus, sie noch mehr zu erschrecken, gab sich erschüttert und schien fast zu glauben, daß Gundermann die Wahrheit sagte, wenn er versicherte, mit der Baisse nichts zu tun zu haben. Konnte man es wissen? Die Börse ist ein richtiger Urwald, ein Urwald in dunkler Nacht, wo man sich hindurchtasten muß. Wer in dieser Finsternis das Pech hat, alles zu hören, was an Albernheiten und Widersprüchlichkeiten erfunden wird, kann sicher sein, daß er sich das Genick bricht.
    »Dann soll ich also nicht verkaufen?« fragte sie ängstlich.
    »Warum verkaufen? Das wäre ja Wahnsinn! Morgen sind wir die Herren, die Universelle wird auf dreitausendeinhundert steigen. Und halten Sie durch, was auch kommen mag: Sie werden mit dem Schlußkurs zufrieden sein … Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
    Die Baronin war gegangen, Daigremont kleidete sich endlich an, als ein Klingelzeichen einen dritten Besuch ankündigte. Nein, den würde er jetzt nicht empfangen! Aber als man ihm Delarocques Visitenkarte überreichte, rief er sogleich, man solle ihn einlassen; und da der Makler, ganz aufgeregt, mit dem Sprechen zögerte, schickte Daigremont seinen Kammerdiener hinaus und band sich vor einem hohen Spiegel die Schleife seiner weißen Halsbinde selbst.
    »Mein Lieber, es ist

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