Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
man sah, wie der kleine Flory strahlte und überall nach Sabatani suchte, der ihm jetzt als Vermittler diente und dem er eine neue Kauforder erteilen wollte.
    Aber als es zwei Uhr geschlagen hatte, wurde Mazaud, auf dem die Last des Angriffs ruhte, erneut schwach. Er wunderte sich immer mehr über die Verspätung, mit der die Verstärkungen auf den Plan traten. Es war höchste Zeit, worauf warteten sie denn, warum lösten sie ihn nicht in der unhaltbaren Stellung ab, in der er sich erschöpfte? Obwohl er aus Berufsstolz ein gleichmütiges Gesicht zeigte, fühlte er eine große Kälte in sich aufsteigen und fürchtete, blaß zu werden. Jacoby hörte nicht auf, ihm donnernd und methodisch seine Angebote paketweise hinzuwerfen, auf die er nicht mehr einging. Er sah ihn gar nicht mehr an, seine Augen waren auf Delarocque gerichtet, Daigremonts Makler, dessen Schweigen er nicht begreifen konnte. Dick und untersetzt, stand Delarocque mit seinem roten Bart da, in selig lächelnder Erinnerung an ein Gelage in der letzten Nacht, und verharrte friedfertig in seiner unerklärlichen Haltung. Sollte er nicht alle diese Angebote an sich reißen, alles retten durch die Kaufaufträge, die er massenweise in seiner Hand hielt?
    Ganz plötzlich stürzte sich Delarocque mit seiner kehligen, leicht heiseren Stimme in den Kampf.
    »Biete Universelle … Biete Universelle …«
    Und in wenigen Minuten bot er Universelle für mehrere Millionen. Stimmen antworteten ihm. Die Kurse gaben nach.
    »Biete zu zweitausendvierhundert … Biete zu zweitausenddreihundert … Wieviel …? Fünfhundert, sechshundert Stück … Geben Sie her!«
    Was sagte er? Was ging da vor? Brach etwa anstatt der erwarteten Hilfe eine neue Armee des Feindes aus den benachbarten Wäldern hervor? Grouchy blieb aus105, wie bei Waterloo, und der Verrat besiegelte die Niederlage. Unter dem Druck dieser unergründlichen, frischen Verkäufermassen, die im Sturmschritt heranrückten, brach eine fürchterliche Panik aus.
    In dieser Sekunde fühlte Mazaud, wie ihm der Tod über das Antlitz strich. Er hatte Saccard für allzu große Summen Report gewährt, er spürte deutlich, daß ihm der Zusammenbruch der Banque Universelle das Genick brach. Aber sein hübsches braunes Gesicht mit dem kleinen Schnurrbart blieb undurchschaubar und tapfer. Er kaufte noch auf die letzten Orders, die er empfangen hatte, krähte wie ein junger Hahn, und seine Stimme klang schrill wie im Erfolg. Ihm gegenüber ließen seine Gegenspieler, der brüllende Jacoby und der apoplektische Delarocque, trotz ihrer geheuchelten Gelassenheit immer mehr Unruhe durchblicken, denn sie sahen Mazaud jetzt in großer Gefahr: würde er sie bezahlen, wenn er ruiniert war? Mit den Händen umklammerten sie den Samt der Brüstung, ihre Stimmen kläfften aus beruflicher Gewohnheit weiter, gleichsam mechanisch, indes in ihren starren Blicken die gräßliche Angst vor dem Drama des Geldes zu lesen war.
    Während der letzten halben Stunde kam es dann zum Zusammenbruch, eine wilde Flucht, in der die gehetzte Menge durcheinanderstob. Auf das äußerste Vertrauen, die blinde Begeisterung folgte die Reaktion der Furcht, alle stürzten herbei, um zu verkaufen, falls noch Zeit dafür war. Ein Hagel von Verkaufsorders ging auf die Corbeille nieder, man sah nur noch Auftragszettel regnen; und die Aktienpakete, die auf diese Weise ohne Umsicht abgestoßen wurden, beschleunigten die Baisse und führten zu einem echten Börsenkrach. Die Kurse gingen sprunghaft auf tausendfünfhundert, tausendzweihundert, neunhundert zurück. Es gab keine Käufer mehr, das Schlachtfeld war dem Erdboden gleichgemacht, mit Leichen übersät. Über dem düsteren Gewimmel der Gehröcke glichen die drei Kursschreiber den Kanzlisten des Todes, die die Sterbefälle registrierten. Unter der sonderbaren Wirkung des unheilbringenden Sturmes, der durch den Saal fuhr, war die Bewegung darin erstarrt, das Getöse erstorben wie in der Bestürzung über eine große Katastrophe. Es herrschte eine erschreckende Stille, als nach dem Schlußglockenschlag der letzte Kurs von achthundertdreißig Francs bekannt wurde. Und der Regen trommelte unentwegt auf das Glasdach, das nur noch ein trübes Dämmerlicht durchsickern ließ. Die tropfenden Regenschirme und die stampfende Menschenmenge hatten den Saal in eine Kloake verwandelt; auf dem schlammigen Boden, der an einen verwahrlosten Pferdestall erinnerte, lag allerlei zerrissenes Papier herum, während in der Corbeille das

Weitere Kostenlose Bücher