Das Geld - 18
Angriff der Baissiers gefaßt; aber sein Schlachtplan schien ihm unfehlbar: Daigremonts Umgehungsbewegung, das unvorhergesehene Eintreffen einer neuen Millionenarmee mußte alles hinwegraffen und ihm ein weiteres Mal den Sieg sichern. Er stand jetzt ohne Hilfsmittel da, die Kassen der Banque Universelle waren leer, er hatte die letzten Centimes zusammengekratzt; und doch gab er die Hoffnung nicht auf, er hatte sich von Mazaud auf dem Wege des Reportgeschäfts prolongieren lassen, und als er dem Makler die Unterstützung von Daigremonts Konsortium anvertraute, hatte er ihn so weit überzeugt, daß dieser ohne Deckung noch Kaufaufträge für mehrere Millionen annahm. Als Taktik hatten sie vereinbart, die Kurse bei Börsenbeginn nicht allzusehr sinken zu lassen, sie vielmehr zu halten und in Erwartung der Entsatzarmee zu kämpfen. Die Erregung war so groß, daß Massias und Sabatani auf unnütze Schliche verzichteten; jetzt, da die wahre Lage Gegenstand aller Klatschereien war, redeten sie unverhohlen mit Saccard und liefen dann mit seinen letzten Empfehlungen los, der eine zu Nathansohn in die Vorhalle, der andere zu Mazaud, der noch im Maklerzimmer war.
Es war zehn Minuten vor eins. Moser, noch ganz blaß von einer Leberkolik, die ihm derart zugesetzt hatte, daß er die ganze Nacht kein Auge geschlossen hatte, teilte Pillerault seine Beobachtung mit, daß heute alle gelb und krank aussahen. Pillerault, den die nahende Katastrophe wieder in die Prahlereien eines fahrenden Ritters verfallen ließ, lachte lauthals los.
»Aber mein Bester,
Sie
haben eine Kolik. Alle andern sind sehr fröhlich. Wir werden Ihnen gleich eine Tracht Prügel verabreichen, an die Sie noch lange denken werden.«
In Wirklichkeit herrschte allgemeine Bedrückung, der Saal wirkte düster unter dem rötlichen Tageslicht, und vor allem spürte man es an dem gedämpften Grollen der Stimmen. Das war nicht mehr das lärmende Getöse der großen Tage der Hausse, die Bewegung, das Brausen einer Flut, die alles erobert. Man rannte nicht mehr, man schrie nicht mehr, man huschte dahin und sprach leise wie im Hause eines Kranken. Trotz des dichten Gedränges, in dem man fast erdrückt wurde, war nur ein trauriges Gemurmel zu hören, ein ängstliches Getuschel, Hiobsbotschaften, die man einander ins Ohr flüsterte. Viele schwiegen, verzogen das bleiche Gesicht und befragten mit weit aufgerissenen Augen verzweifelt die anderen Gesichter.
»Salmon, Sie sagen ja gar nichts?« fragte Pillerault mit angriffslustigem Spott.
»Wahrhaftig!« murmelte Moser. »Er ist wie die anderen, er hat nichts zu sagen, er hat Angst.«
In der Tat, an diesem Tag beunruhigte Salmons Schweigen niemanden mehr, weil alle nur stumm und gespannt warteten.
Aber rings um Saccard drängte sich eine Flut von Kunden, die vor Ungewißheit zitterten und auf ein gutes Wort begierig waren. Später bemerkte man, daß sich Daigremont gar nicht hatte sehen lassen, auch nicht der Abgeordnete Huret, den man offenbar gewarnt hatte, denn er war wieder der treue Hund Rougons geworden. Kolb, in einer Gruppe von Bankiers, schien durch ein großes Arbitragegeschäft in Anspruch genommen. Der Marquis de Bohain, über die Wechselfälle des Schicksals erhaben, trug seelenruhig seinen kleinen blassen aristokratischen Kopf spazieren; er war sicher, in jedem Falle zu gewinnen, weil er Jacoby Order erteilt hatte, die gleiche Anzahl Universelle zu kaufen, wie er Mazaud beauftragt hatte zu verkaufen. Und Saccard, den die Menge belagerte, die Gläubigen, die Einfältigen, sprach besonders liebenswürdig Sédille und Maugendre Mut zu, die mit zitternden Lippen und flehenden feuchten Augen Hoffnung auf Triumph erbettelten. Er drückte ihnen kräftig die Hand und legte in diesen Händedruck eine unbedingte Siegesverheißung. Als ein Mann, der immer nur glücklich und vor jeder Gefahr gefeit ist, lamentierte er dann über eine Lappalie.
»Sie sehen, ich bin ganz konsterniert. Bei diesen scharfen Frösten hat man eine Kamelie in meinem Hof vergessen, und nun ist sie eingegangen.«
Sein Ausspruch machte die Runde, man war über die Kamelie gerührt. Was für ein Mann, dieser Saccard! Von kaltblütiger Sicherheit, immer lächelnd, ohne daß man wußte, ob das nicht nur eine Maske war, hinter der er die schrecklichen Sorgen verbarg, die jeden anderen gepeinigt hätten!
»So ein Biest! Der ist ja gut!« murmelte Jantrou dem zurückkehrenden Massias ins Ohr.
Da rief Saccard nach ihm, weil er sich in diesem erhabenen
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