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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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alles sengrig, und Bismarck liegt auf der Lauer.«
    »Ach, lassen Sie uns in Ruhe! Ich hätte diesmal nicht so lange überlegen sollen … Aber macht nichts! Ich fange noch mal von vorn an, und dann geht alles gut!«
    Bis jetzt war Saccard nicht schwach geworden. Als man hinter seinem Rücken Fayeux erwähnte, den Kuponeinnehmer aus Vendôme, mit dem er wegen einer großen Zahl von Kleinstaktionären geschäftliche Beziehungen unterhielt, hatte er nur ein Unbehagen in sich verspürt, als er an die riesige Masse der Kleinen dachte, der mitleiderregenden Kapitalisten, die unter den Trümmern der Banque Universelle zermalmt werden sollten. Aber plötzlich sah er Dejoie, bleich und entstellt, und sein Anblick steigerte dieses Unbehagen ins Unerträgliche, denn alle die bescheidenen, beklagenswerten Bankrotte nahmen in diesem armen Mann, den er kannte, menschliche Gestalt an. Durch eine Art Halluzination tauchten zur gleichen Zeit die blassen, untröstlichen Gesichter der Gräfin Beauvilliers und ihrer Tochter vor ihm auf, die ihn mit großen Augen voller Tränen verzweifelt ansahen. Und Saccard, dieser Freibeuter mit dem von zwanzigjähriger Räuberei verhärteten Herzen, Saccard, dessen Stolz es war, daß er nie seine Beine zittern gefühlt und sich nie auf die Bank gesetzt hatte, die an dem Pfeiler stand – Saccard erlitt in dieser Minute einen Schwächeanfall und mußte sich einen Moment auf der Bank niederlassen. Die Meute flutete immer noch heran und drohte ihn zu ersticken. Er hob den Kopf, um Atem zu holen, und war sofort wieder auf den Beinen, als er oben auf der Telegrafengalerie die Méchain erkannte, die sich zum Saal herunterbeugte und mit ihrer ungeheuren fetten Statur das Schlachtfeld beherrschte. Ihre alte schwarze Ledertasche stand neben ihr auf der Steinbrüstung. Während sie darauf wartete, die wertlos gewordenen Aktien hineinzustopfen, belauerte sie die Toten wie ein gefräßiger Rabe, der den Armeen bis zum Tage des Gemetzels folgt.
    Saccard verließ den Saal mit festem Schritt. Sein ganzes Dasein schien ihm leer; aber durch eine außergewöhnliche Willensanstrengung ging er aufrecht und gerade. Nur seine Sinne waren wie abgestumpft, er spürte nicht mehr den Boden unter den Füßen, er glaubte, auf einem dicken Wollteppich zu gehen. Vor den Augen zerfloß ihm alles zu Nebel, von dem Lärm sausten ihm die Ohren. Während er die Börse verließ und die Freitreppe hinabschritt, erkannte er die Leute nicht mehr, war nur noch von schwankenden Gespenstern umgeben, von verschwommenen Formen, verlorenen Tönen. Hatte er nicht eben Buschs grinsendes breites Gesicht gesehen? War er nicht einen Augenblick stehengeblieben und hatte mit Nathansohn geplaudert, der recht zufrieden war und dessen gedämpfte Stimme ihm von weit her zu kommen schien? Begleiteten ihn nicht Sabatani und Massias inmitten der allgemeinen Bestürzung? Er sah sich wieder von einer zahlreichen Gruppe umringt, vielleicht abermals Sédille und Maugendre, allerlei Gesichter, die verblaßten und sich verwandelten. Und als er sich entfernen, im Regen verschwinden wollte, im Matsch, der Paris überschwemmte, setzte er seinen letzten Ehrgeiz darein, seine geistige Überlegenheit zu beweisen, und wiederholte vor dieser ganzen Gespensterwelt mit greller Stimme:
    »Ach, was bin ich doch ärgerlich wegen dieser Kamelie, die man in meinem Hof vergessen hat und die mir nun erfroren ist!«

Elftes Kapitel
    Frau Caroline war entsetzt und schickte am gleichen Abend eine Depesche an ihren Bruder, der noch für eine Woche in Rom war; drei Tage später traf Hamelin in Paris ein, um der Gefahr zu begegnen.
    In der Rue Saint-Lazare kam es zwischen Saccard und dem Ingenieur zu einer ungestümen Auseinandersetzung, in dem gleichen Zeichensaal, wo einst das Geschäft mit soviel Begeisterung erörtert und beschlossen worden war. Während der drei Tage hatte sich das Debakel an der Börse noch schrecklich verschlimmert, die Universelle-Aktien waren Schlag auf Schlag unter pari gefallen, auf vierhundertdreißig Francs; und die Baisse hielt an, das Gebäude krachte und zerfiel von Stunde zu Stunde mehr.
    Schweigend hörte Frau Caroline zu und vermied es, sich einzumischen. Sie war voller Gewissensbisse, denn sie beschuldigte sich der Mittäterschaft, weil sie ja alles hatte laufenlassen, obwohl sie sich vorgenommen hatte aufzupassen. Anstatt sich damit zu begnügen, einfach ihre Aktien zu verkaufen, um die Hausse abzubremsen, hätte sie da nicht etwas anderes

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