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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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unvorhergesehener Besuch, hätte man sehen sollen, wie sie beide flohen, die Schürze wegwarfen, sich in aller Eile wuschen und dann als Herrinnen des Hauses mit weißen, müßigen Händen wieder erschienen. Nach der Straße zu hatte sich ihre Lebensweise nicht verändert, die Ehre war gerettet: das Kupee, immer noch tadellos bespannt, führte die Gräfin und ihre Tochter zu ihren Besorgungen, die alle vierzehn Tage stattfindenden Diners vereinten immer noch die Tischgäste wie in jedem Winter, ohne daß ein Gericht weniger auf den Tisch kam, ohne daß eine Kerze in den Leuchtern fehlte. Und man mußte, wie Frau Caroline, den Garten überblicken können, um zu wissen, mit welch schrecklichem Fasten an den Tagen danach dieser ganze Aufwand bezahlt wurde, diese lügnerische Fassade eines verschwundenen Vermögens. Wenn Frau Caroline sah, wie sie in diesem von den Nachbarhäusern erstickten feuchten Schacht ihre tödliche Schwermut unter den grünlichen Gerippen der hundertjährigen Bäume spazierenführten, überkam sie grenzenloses Mitleid; sie trat vom Fenster zurück, das Herz von Gewissensqual zerrissen, als wäre sie ebenso wie Saccard mitschuldig an diesem Elend.
    An einem anderen Morgen dann verspürte Frau Caroline eine noch unmittelbarere, noch schmerzlichere Trauer. Man meldete ihr Dejoies Besuch, und sie war tapfer genug, ihn zu empfangen.
    »Ach! Mein armer Dejoie …«
    Aber sie hielt erschrocken inne, als sie die Blässe des ehemaligen Bürodieners bemerkte. Die Augen in dem entstellten Gesicht schienen erloschen, dieser große Mann war kleiner geworden, wie zusammengeknickt.
    »Schauen Sie, Sie dürfen sich nicht von dem Gedanken entmutigen lassen, daß dieses ganze Geld verloren ist.«
    Da sprach er mit schleppender Stimme:
    »Oh, gnädige Frau, das ist es gar nicht … Gewiß, im ersten Moment war es ein harter Schlag für mich, weil ich mich daran gewöhnt hatte, zu glauben, wir wären reich. Das steigt einem zu Kopf, es ist, als hätte man getrunken, wenn man gewinnt … Mein Gott! Ich hatte mich schon damit abgefunden, wieder an die Arbeit zu gehen, ich hätte so viel gearbeitet, daß es mir gelungen, wäre, den Betrag wieder voll zu machen … Bloß, Sie wissen ja nicht …«
    Dicke Tränen rollten ihm über die Wangen.
    »Sie wissen ja nicht … Sie ist weg.«
    »Weg? Wer denn?« fragte Frau Caroline überrascht.
    »Nathalie, meine Tochter … Mit der Heirat war es aus, sie ist wütend geworden, als Théodores Vater kam und erklärte, sein Sohn hätte lange genug gewartet und wolle die Tochter einer Kurzwarenhändlerin heiraten, die an die achttausend Francs mitbrachte. Ich verstehe ja, daß sie in Zorn geraten ist bei dem Gedanken, keinen Heller mehr zu haben und eine alte Jungfer werden zu müssen … Aber ich, wo ich sie doch so gern hatte! Noch im vergangenen Winter bin ich in der Nacht aufgestanden, um ihr die Bettdecke unter die Matratze zu stecken. Und ich habe das Rauchen aufgegeben, damit sie sich hübschere Hüte kaufen konnte, ich war ihre wahre Mutter, ich hatte sie aufgezogen, ich lebte nur von der Freude, sie in unserer kleinen Wohnung zu sehen.«
    Die Tränen schnürten ihm die Kehle zu, er schluchzte.
    »Daran ist bloß mein Ehrgeiz schuld … Wenn ich verkauft hätte, als mir meine acht Aktien die sechstausend Francs Mitgift einbrachten, wäre sie jetzt verheiratet! Bloß, nicht wahr, das stieg immer weiter, und ich habe an mich gedacht, ich wollte zuerst sechshundert, dann achthundert, dann tausend Francs Jahreszinsen, zumal ja die Kleine dieses Geld später geerbt hätte … Stellen Sie sich vor, beim Kurs von dreitausend hatte ich einen Augenblick lang vierundzwanzigtausend Francs in der Hand, das waren ihre sechstausend Francs Mitgift, und ich selbst hätte mich mit neunhundert Francs Jahreszinsen zur Ruhe setzen können. Nein, ich wollte tausend in meiner Dummheit! Und jetzt ist das alles keine zweihundert Francs mehr wert … Ach, es ist meine Schuld, ich hätte lieber ins Wasser springen sollen!«
    Von seinem Schmerz gerührt, ließ Frau Caroline ihn reden, damit ihm leichter wurde. Doch sie hätte gern mehr erfahren.
    »Aber wieso ist sie weg, mein armer Dejoie?«
    Da wurde er verlegen, während ihm eine schwache Röte in das bleiche Gesicht stieg.
    »Ja, weg, verschwunden, seit drei Tagen … Sie hatte die Bekanntschaft eines Herrn von gegenüber gemacht, oh, ein sehr feiner Herr, ein Mann von vierzig Jahren … Kurz und gut, sie ist durchgebrannt.«
    Und während er

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