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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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das Fürchterliche dabei war, daß er in der Hitze des Gefechts ungedeckt spekuliert hatte; in seinem Glauben an Saccards Genie hatte er immer weiter gekauft, so daß die schrecklichen Differenzen von mehr als zweihunderttausend Francs, die er bezahlen mußte, den Rest seines Vermögens verschlungen hatten, die fünfzehntausend Francs Jahreszinsen, die er in dreißig Jahren Arbeit so sauer verdient hatte. Er hatte nichts mehr; wenn er seine kleine Villa in der Rue Legendre, auf die er so stolz war, verkaufte, konnte er davon kaum seine Schulden völlig begleichen. Und an diesem Unheil trug Frau Maugendre sicher größere Schuld als er.
    »Ach, Frau Caroline«, erklärte Marcelle mit ihrem freundlichen Gesicht, das auch inmitten der Katastrophen frisch aussah und lächelte, »Sie können sich nicht vorstellen, was aus Mama geworden ist! Sie, die so klug, so sparsam und der Schrecken ihrer Dienstmädchen war, weil sie dauernd hinter ihnen her war, um die Abrechnungen unter die Lupe zu nehmen, sie sprach nur noch in Hunderttausenden von Francs. Sie drängte Papa, der im Grunde viel ängstlicher war und ganz gern auf Onkel Chave gehört hätte, wenn sie ihn nicht verrückt gemacht hätte mit ihrem Traum, das große Los zu gewinnen, die Million … Es fing an, als sie die Finanzblätter lasen. Papa war als erster begeistert, so sehr, daß er anfangs heimlich spekulierte; als dann Mama Feuer fing, nachdem sie lange mit dem Haß einer guten Hausfrau gegen das Börsenspiel gewettert hatte, dauerte es nicht lange, und alles brannte lichterloh. Wie ist es bloß möglich, daß die Gewinnsucht brave Leute so sehr verändert!«
    Jordan, der ebenfalls über Onkel Chave lächeln mußte, als seine Frau ihn erwähnte, fügte hinzu:
    »Sie hätten sehen sollen, wie ruhig der Onkel war inmitten dieser Katastrophen! Er hatte es ja vorausgesagt; in seinen Uniformkragen gezwängt, triumphierte er … Nicht einen Tag hat er die Börse verpaßt, nicht einen Tag, er hat nicht aufgehört, sein kleines Spielchen in Kassageschäften zu spielen, und war zufrieden, jeden Abend seine fünfzehn oder zwanzig Francs nach Hause zu tragen, so wie ein braver Angestellter, der rechtschaffen sein Tagewerk vollbracht hat. Rings um ihn wackelten überall die Millionen, riesige Vermögen wuchsen und vergingen innerhalb von zwei Stunden, zwischen den Donnerschlägen regnete es Gold in Strömen, er aber verdiente sich weiter in aller Ruhe seinen kleinen Lebensunterhalt, seinen kleinen Gewinn für seine kleinen Laster … Er ist der Pfiffigste von allen, die hübschen Mädchen in der Rue Nollet bekamen immer ihren Kuchen und ihre Bonbons.«
     Über diese humorvolle Anspielung auf die Eskapaden des Hauptmanns mußten die beiden Frauen lachen. Aber gleich darauf ergriff sie wieder die Trauer über die Lage.
    »Leider nein«, erklärte Frau Caroline, »ich glaube nicht, daß Ihre Eltern noch etwas aus ihren Aktien herausholen können. Wie mir scheint, ist alles zu Ende. Die Universelle steht auf dreißig Francs, sie wird bald auf zwanzig Francs, auf hundert Sous fallen … Mein Gott! Die armen Leute, was soll im Alter aus ihnen werden, wo sie so an den Wohlstand gewöhnt sind?«
    »Allerdings«, antwortete Jordan nur, »man wird sich um sie kümmern müssen … Wir sind noch nicht sehr reich, aber es geht endlich langsam bergauf, und wir werden sie schon nicht auf der Straße verkommen lassen.«
    Er hatte gerade Glück gehabt. Nach so vielen Jahren undankbarer Arbeit sah es plötzlich so aus, als würde sein erster Roman, der zuerst in einer Zeitung veröffentlicht und danach von einem Verleger herausgebracht worden war, ein großer Erfolg werden; so hatte er jetzt ein paar tausend Francs, alle Türen standen ihm hinfort offen, und er brannte vor Eifer, sich wieder an die Arbeit zu machen, seines Glücks und seines Ruhms gewiß.
    »Wenn wir sie nicht bei uns aufnehmen können, mieten wir ihnen eben eine kleine Wohnung. Man findet immer Mittel und Wege, zum Teufel!«
    Marcelle, die ihn mit inniger Zärtlichkeit ansah, überlief ein leichtes Zittern.
    »O Paul, Paul, wie gut du bist!«
    Und sie brach in Schluchzen aus.
    »Kind, so beruhigen Sie sich doch, ich bitte Sie«, wiederholte mehrmals Frau Caroline, verwundert um die junge Frau bemüht. »Sie müssen sich nicht solche Sorgen machen.«
    »Nein, lassen Sie mich, ich weine nicht aus Kummer … Aber das ist wirklich alles so dumm! Ich bitte Sie, hätten mir Mama und Papa, als ich Paul geheiratet habe, nicht die

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