Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
sich auf Baisse und für Saccard auf Hausse spekuliert hatte. Er hatte außerordentliches Glück gehabt; im Auftrag der Banque Universelle, die nicht mehr zahlte, mit beachtlichen Käufen engagiert, wäre er sicher aufgeflogen, wenn man nicht gezwungen gewesen wäre, mit dem Schwamm drüberzugehen und der ganzen Kulisse, die als zahlungsunfähig anerkannt wurde, ihre Schulden von mehr als hundert Millionen zu erlassen. Ganz ohne Frage ein Glückspilz von großem Geschick, dieser kleine Nathansohn, dessen hübsches Abenteuer von jedermann beschmunzelt wurde: den Gewinn einzustreichen und den Verlust nicht zu bezahlen!
    Aber die Zahlen blieben ungenau. Frau Caroline konnte zu keiner genauen Einschätzung der Gewinne kommen, denn die Börsengeschäfte werden ganz im geheimen abgewickelt, und das Berufsgeheimnis wird von den Wechselmaklern streng gewahrt. Man hätte nicht einmal durch eine Prüfung der Handbücher etwas erfahren, in die keine Namen eingetragen werden. So versuchte Frau Caroline vergeblich, die Summe zu ermitteln, die Sabatani mitgenommen haben mußte, der nach der letzten Liquidation verschwunden war. Wiederum ein Verlust von dieser Seite, der Mazaud hart traf. Es war die übliche Geschichte: der verdächtige Kunde, zunächst mißtrauisch aufgenommen, hinterlegte eine kleine Deckung von zwei- oder dreitausend Francs und spekulierte während der ersten Monate vorsichtig; sobald aber die Geringfügigkeit der Einlage in Vergessenheit geraten und er zum Freund des Wechselmaklers geworden war, ergriff er nach einem Räuberstreich die Flucht. Mazaud wollte Sabatani von der Börse ausschließen lassen, so wie er seinerzeit Schlosser hatte ausschließen lassen, einen Spitzbuben von der gleichen Bande, die ewig den Markt unsicher macht, so wie die Räuber von ehedem einen Wald unsicher machten. Aber der Levantiner, dieser samtäugige Italiener mit orientalischem Einschlag, den die Legende mit einem Phänomen belehnte, von dem die neugierigen Frauen tuschelten, war verduftet, um irgendeine hauptstädtische Börse im Ausland abzusahnen, in Berlin, hieß es, bis man ihn in Paris vergessen hatte und er zurückkehrte, erneut von allen gegrüßt und im Begriffe, seinen Coup mit allgemeiner Billigung zu wiederholen.
    Dann hatte Frau Caroline eine Liste der Bankrotte aufgestellt. Die Katastrophe der Banque Universelle war einer jener furchtbaren Erdstöße gewesen, die eine ganze Stadt erschüttern. Nichts stand mehr senkrecht und fest wie zuvor, die Risse zeigten sich auch in den Nachbarhäusern, jeder Tag brachte neue Einstürze. Eine nach der anderen brachen die Banken mit jähem Getöse zusammen, Mauerreste, die nach der Feuersbrunst noch stehengeblieben waren. In stummer Bestürzung hörte man dieses Krachen des Untergangs und fragte sich, wann die Bankrotte wohl aufhören würden. Doch was Frau Caroline ins Herz traf, das waren weniger die Bankiers, die Gesellschaften, die Menschen und Dinge der Finanz, die im Sturm vernichtet und hinweggefegt worden waren, als vielmehr alle die armen Leute, Aktionäre und sogar Spekulanten, die sie gekannt und gern gehabt hatte und die nun unter den Opfern waren. Nach der Niederlage zählte sie ihre Toten. Und darunter waren nicht nur ihr armer Dejoie, die einfältigen und beklagenswerten Maugendres, die traurigen, so rührenden Beauvilliers. Noch ein anderes Drama hatte sie aufgewühlt, der Konkurs des Seidenfabrikanten Sédille, der tags zuvor erklärt worden war. Sédille, den sie als Administrator am Werk gesehen und dem sie, wie sie sagte, als einzigem Vorstandsmitglied zehn Sous anvertraut hätte, hielt sie für einen grundehrlichen Menschen. Wie schrecklich war doch diese Leidenschaft für das Börsenspiel! Da hatte ein Mann dreißig Jahre darangesetzt, durch seine Arbeit und seine Rechtschaffenheit eine der solidesten Firmen von Paris zu begründen, und in weniger als drei Jahren hatte er sie so untergraben und unterhöhlt, daß sie plötzlich zu Staub zerfallen war! Mit welch bitterer Reue mußte er sich wohl nach den arbeitsreichen Tagen von ehedem zurücksehnen, als er noch an das langsam und mühevoll verdiente Vermögen glaubte, bevor ein erster Zufallsgewinn ihn verleitete, es zu verachten, und ihn der Traum verzehrte, an der Börse in einer einzigen Stunde die Million zu erobern, zu der ein ehrlicher Geschäftsmann das ganze Leben braucht! Und die Börse hatte alles hinweggerafft, der unglückliche Mann lag zerschmettert am Boden, unfähig und nicht wert, die

Weitere Kostenlose Bücher