Das Geld - 18
Redaktion, um eventuell doch noch mein Gehalt zu bekommen; und als ich zu stürmisch die eine Tür aufstieß, bin ich in eine Auseinandersetzung hineingeplatzt und habe mit eigenen Augen gesehen, wie Jantrou die Sandorff ohrfeigte, daß es nur so knallte … Brutal wie ein Kutscher hat dieser betrunkene Mann, den der Alkohol und die Laster zugrunde gerichtet haben, auf diese Dame der Gesellschaft eingeschlagen!«
Mit einer schmerzlichen Gebärde gebot ihm Frau Caroline Schweigen. Es schien ihr, daß dieses Übermaß an Erniedrigung sie selbst beschmutzte.
Zärtlich hatte Marcelle, im Begriff zu gehen, ihre Hand ergriffen.
»Glauben Sie nicht etwa, liebe Frau Caroline, daß wir gekommen sind, um Ihnen Kummer zu bereiten. Im Gegenteil, Paul nimmt Herrn Saccard sehr in Schutz.«
»Aber gewiß!« rief der junge Mann aus. »Zu mir ist er immer nett gewesen. Ich werde nie vergessen, wie er uns diesen schrecklichen Busch vom Halse geschafft hat. Und er ist ja auch trotz allem ein sehr tüchtiger Mann … Wenn Sie ihn besuchen, Frau Caroline, sagen Sie ihm doch, daß ihn das kleine Ehepaar in dankbarer Erinnerung behält.«
Als die Jordans gegangen waren, vollführte Frau Caroline eine Gebärde stummen Zorns. Wofür die dankbare Erinnerung? Für den Ruin der Maugendres! Diese Jordans waren wie Dejoie: beim Abschied die gleichen Worte der Entschuldigung, die gleichen guten Wünsche. Und dennoch wußten sie Bescheid! Dieser Schriftsteller, der die Welt der Finanz kennengelernt hatte und das Geld so schön verachtete, war kein Dummkopf. Ihre Empörung hielt an und nahm noch zu. Nein, es konnte keine Verzeihung geben, der Schmutz war zu tief. Durch Jantrous Ohrfeige für die Baronin war sie nicht gerächt. Saccard war es gewesen, der alles zum Faulen gebracht hatte.
An jenem Tage mußte Frau Caroline wegen bestimmter Schriftstücke, die sie der Akte ihres Bruders beifügen wollte, zu Mazaud gehen. Sie wollte auch erfahren, wie er sich verhalten würde, falls ihn die Verteidigung als Zeugen benannte. Sie hatten sich erst für vier Uhr, nach der Börse, verabredet; endlich allein, verbrachte sie mehr als anderthalb Stunden damit, die Auskünfte zu ordnen, die sie bereits erhalten hatte. Sie fing an, in dem Trümmerhaufen klarzusehen. So wie man nach einer Feuersbrunst, wenn sich der Rauch verzogen hat und die Glut erloschen ist, den Schutt wegräumt, in der lebhaften Hoffnung, das Gold der geschmolzenen Schmuckstücke zu finden.
Zunächst hatte sie sich gefragt, wo das Geld geblieben sein konnte. Wenn sich bei diesem Untergang von zweihundert Millionen die einen Taschen geleert hatten, mußten andere sich doch gefüllt haben. Mittlerweile schien es sicher, daß der Rechen der Baissiers nicht den gesamten Betrag zusammengerafft hatte, ein gutes Drittel war versickert. An den schwarzen Tagen wird das Geld an der Börse wie vom Erdboden aufgesaugt, es verläuft sich, an allen Fingern bleibt etwas kleben. Gundermann mußte allein für sein Teil an die fünfzig Millionen eingesteckt haben. Dann kam Daigremont mit zwölf bis fünfzehn Millionen. Man nannte noch den Marquis de Bohain, dem wieder einmal der klassische Coup gelungen war: bei Mazaud auf Hausse spielend, weigerte er sich zu bezahlen, während er bei Jacoby, wo er auf Baisse spekulierte, an die zwei Millionen eingestrichen hatte; Mazaud aber, durch seine Verluste gereizt, wollte ihm diesmal ein Stempelpapier ins Haus schicken, obwohl er wußte, daß der Marquis, dieser Spitzbube, seine Möbel auf den Namen seiner Frau überschrieben hatte. Fast alle Administratoren der Banque Universelle hatten sich übrigens ihr königlich bemessenes Teil abgeschnitten; die einen, wie Huret und Kolb, hatten vor dem Zusammenbruch zum höchsten Kurs verkauft, die anderen, wie der Marquis und Daigremont, waren mit der Taktik von Verrätern zu den Baissiers übergelaufen. Außerdem hatte der Verwaltungsrat in einer seiner letzten Sitzungen, als die Gesellschaft schon in Bedrängnis war, seinen Mitgliedern über hunderttausend Francs kreditieren lassen. An der Corbeille schließlich sollten vor allem Delarocque und Jacoby persönlich große Summen gewonnen haben, die allerdings bereits wieder zerronnen waren: die Gier nach Frauen bei dem einen, die Spekulationswut beim anderen taten Schlünde auf, die immer klafften und nie zu füllen waren. Ebenso lief das Gerücht um, Nathansohn sei zu einem der Könige der Kulisse geworden, er habe einen Gewinn von drei Millionen erzielt, weil er für
Weitere Kostenlose Bücher