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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Geschichte aus, der Schuldschein sei verlorengegangen und dann in einem Koffer wiedergefunden worden; und als sie es endgültig ablehnte, sich mit der Angelegenheit zu befassen, empfahl er sich, immer noch sehr höflich, und sagte nur, er werde mit seiner Klientin wiederkommen, freilich nicht am nächsten Tag, weil sie am Sonntag wohl kaum das Haus verlassen könnte, in dem sie arbeitete, aber bestimmt am Montag oder Dienstag.
    Am Montag hatte die Gräfin Beauvilliers über dem entsetzlichen Unglück, das ihrer Tochter zugestoßen war, diesen schlechtgekleideten Mann und seine grausame Geschichte vergessen; mit tränenblinden Augen wachte sie am Bett des Mädchens, das man ihr phantasierend zurückgebracht hatte. Endlich war Alice eingeschlafen. Erschöpft und durch die Härte dieses Schicksalsschlages niedergeschmettert, hatte sich die Mutter gerade hingesetzt, als Busch erneut vorstellig wurde, diesmal in Léonies Begleitung.
    »Frau Gräfin, hier ist meine Klientin, wir müssen nun schon zu einem Ende kommen.«
    Die Gräfin schauderte vor der Erscheinung der Dirne. Sie schaute sie an, wie sie da stand, in grelle Farben gekleidet, das struppige schwarze Haar, das ihr bis auf die Brauen fiel, das breite, schlaffe Gesicht, die schändliche Verworfenheit der ganzen Person, die von zehn Jahren Prostitution verbraucht war. Und sie litt Folterqualen, blutete nach so vielen Jahren der Verzeihung und des Vergessens in ihrem Frauenstolz. Mein Gott, mit solchen Kreaturen, die so tief fallen sollten, mußte der Graf sie betrügen!
    »Wir müssen zu einem Ende kommen«, beharrte Busch, »weil meine Klientin in der Rue Feydeau sehr streng gehalten wird.«
    »In der Rue Feydeau«, wiederholte die Gräfin, ohne zu begreifen.
    »Ja, sie ist da … sie ist da in einem gewissen Haus.«
    Bestürzt erhob sich die Gräfin, um mit zitternden Händen den Alkoven, von dem nur ein Türflügel angelehnt war, ganz zu schließen. In ihren Fieberträumen hatte sich Alice unter der Bettdecke bewegt. Wenn sie nur wieder einschlief, nichts sah und nichts hörte!
    Busch fuhr bereits fort:
    »Frau Gräfin, verstehen Sie mich recht … Das Fräulein hat mich mit seiner Angelegenheit beauftragt, und ich vertrete sie lediglich. Deshalb wollte ich, daß sie persönlich kam, um ihren Anspruch geltend zu machen … Also los, Léonie, reden Sie.«
    Unruhig und gar nicht froh in dieser Rolle, die er sie spielen ließ, richtete sie wie ein verprügelter Hund ihre großen trüben Augen auf ihn. Aber die Hoffnung auf die tausend Francs, die er ihr versprochen hatte, bewog sie zum Sprechen. Und während er erneut den Schuldschein des Grafen auseinanderfaltete und vorzeigte, legte sie mit ihrer rauhen, vom Alkohol heiseren Stimme los:
    »Es stimmt, das ist das Papier, das mir Herr Charles unterschrieben hat … Ich war vom Fuhrmann die Tochter, vom Hahnrei-Cron, wie sie ihn nannten, wissen Sie noch, Frau Gräfin? Und der Herr Charles hing mir immer an den Röcken und hat Schweinereien von mir verlangt. Mich hat das angeödet. Wenn man jung ist, nicht wahr, weiß man doch nichts und ist zu den Alten nicht nett … Und da hat mir Herr Charles eines Abends das Papier unterschrieben, als er mich in den Stall geschleppt hatte …«
    Wie ans Kreuz geschlagen, stand die Gräfin da und ließ sie reden, als ihr mit einmal so war, als hörte sie einen Klagelaut aus dem Alkoven. Sie machte eine ängstliche Gebärde.
    »Seien Sie still!«
    Aber Léonie war in Fahrt und wollte zum Schluß kommen.
    »Das ist ja schließlich nicht anständig, ein braves kleines Mädchen zu verführen, wenn man nicht bezahlen will … Ja, Frau Gräfin, Ihr Herr Charles war ein Dieb. So denken alle Frauen, denen ich das erzähle … Und ich sage Ihnen, das war damals bestimmt sein Geld wert.«
    »Seien Sie still! Seien Sie still!« schrie wütend die Gräfin mit erhobenen Armen, als wollte sie sie zermalmen, wenn sie fortführe.
    Léonie bekam Angst, und da sie als Dirne an Ohrfeigen gewöhnt war, hob sie instinktiv den Ellbogen, um ihr Gesicht zu schützen. Es herrschte eine erschreckende Stille, als wiederum ein Klagen, ein leises, ersticktes Weinen aus dem Alkoven zu dringen schien.
    »Und was wollen Sie nun?« versetzte die Gräfin zitternd mit leiser Stimme.
    Hier mischte sich Busch ein.
    »Aber Frau Gräfin, dieses Mädchen will, daß man sie bezahlt. Und sie hat recht, die Unglückliche, wenn sie sagt, daß der Herr Graf sehr schlecht an ihr gehandelt hat. Das ist einfach

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