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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Alice, ich will sie sehen, ich laufe gleich zu ihr.«
    Und sie ging fort, ließ die Fürstin und ihre alte Dienerin Sophie ihre Bündel für den großen Aufbruch schnüren, der sie nach vierzig Jahren gemeinsamen Lebens trennen sollte.
    Zwei Tage vorher, am Sonnabend, hatte sich die Gräfin Beauvilliers damit abgefunden, ihr Haus den Gläubigern zu überlassen. Nachdem sie seit einem halben Jahr keine Hypothekenzinsen mehr bezahlt hatte, war die Lage angesichts aller möglichen Unkosten und durch die ständige Drohung einer Zwangsversteigerung unerträglich geworden; ihr Anwalt hatte ihr geraten, alles aufzugeben, sich in eine kleine Wohnung zurückzuziehen, wo sie ohne Ausgaben leben würde, während er versuchen wollte, die Schulden zu tilgen. Sie hätte nicht eingewilligt und vielleicht hartnäckig darauf bestanden, weiter standesgemäß zu leben, ihre Lüge von einem unversehrten Vermögen aufrechtzuerhalten bis zur Vernichtung ihres Geschlechts unter den einstürzenden Decken, wenn nicht ein neues Unglück ihr allen Mut genommen hätte. Ihr Sohn Ferdinand, der letzte der Beauvilliers, der zu nichts taugliche junge Mann, der aus jedem Amt abgeschoben wurde und päpstlicher Zuave geworden war, um seiner Nichtigkeit und seinem Müßiggang zu entrinnen, war ruhmlos in Rom gestorben, so blutarm, von der drückenden Sonnenglut so geschwächt, daß er bei Mentana nicht hatte mitkämpfen können, weil er bereits fieberte und mit kranker Lunge daniederlag. Da war plötzlich eine Leere in ihr entstanden, alle ihre Pläne, all ihre Willenskraft, das mühsam aufgebaute Gerüst, das seit so vielen Jahren so stolz die Ehre des Namens stützte, war zusammengebrochen. Binnen vierundzwanzig Stunden war das Haus rissig geworden, und zwischen den Trümmern kam jämmerlich das nackte Elend zum Vorschein. Man verkaufte das alte Pferd, allein die Köchin blieb und machte in einer schmutzigen Schürze ihre Einkäufe, für zwei Sous Butter und ein Liter trockene Bohnen; auf dem Bürgersteig sah man die Gräfin in einem mit Straßenkot beschmutzten Kleid und mit undicht gewordenen Halbstiefeln an den Füßen. So war über Nacht die Armut gekommen, das Unglück nahm dieser Frau, die an die Tage von einst glaubte und sich gegen ihr Jahrhundert wehrte, sogar den Stolz. Sie hatte sich mit ihrer Tochter in die Rue de la Tour-des-Dames zu einer ehemaligen Trödlerin geflüchtet, die fromm geworden war und möblierte Zimmer an Priester vermietete. Dort bewohnten beide ein großes kahles Zimmer von trauriger, würdiger Ärmlichkeit, mit einem verschließbaren Alkoven im Hintergrund. Dort standen zwei kleine Betten, und wenn die Flügeltür, mit der gleichen Tapete bespannt wie die Wände, geschlossen war, verwandelte sich das Zimmer in einen Salon. Diese glückliche Anordnung hatte sie ein wenig getröstet.
    Aber die Gräfin Beauvilliers hatte sich am Sonnabend noch keine zwei Stunden häuslich eingerichtet, als ein unerwarteter, ungewöhnlicher Besuch sie in neue Angst versetzte. Glücklicherweise war Alice wegen einer Besorgung ausgegangen. Der Besucher war Busch mit seinem ausdruckslosen, schmutzigen Gesicht, seinem speckigen Gehrock und seiner zum Strick zusammengerollten weißen Halsbinde; offenbar durch sein Gespür auf den günstigen Augenblick aufmerksam gemacht, hatte er sich endlich entschlossen, sein altes Geschäft mit dem Schuldschein über zehntausend Francs abzuwickeln, den der Graf dem Mädchen Léonie Cron ausgestellt hatte. Mit einem schnellen Blick auf die Wohnung hatte er die Lage der Witwe erfaßt: sollte er zu lange gezögert haben? Als ein Mann, der gelegentlich auch höflich und geduldig sein konnte, legte er der verstörten Gräfin den Fall ausführlich dar. Das sei doch, nicht wahr, die Handschrift ihres Gatten, was die Geschichte sonnenklar machte: eine Leidenschaft des Grafen für die junge Person, eine Methode, sie zunächst zu bekommen und sich dann ihrer zu entledigen. Busch verhehlte ihr nicht einmal, daß sie, wie er glaube, nach beinahe fünfzehn Jahren nach dem Gesetz nicht mehr verpflichtet sei zu bezahlen. Bloß, er sei ja nur der Vertreter seiner Klientin, die, wie er wisse, entschlossen sei, das Gericht einzuschalten und den schrecklichsten Skandal aufzuwirbeln, falls es zu keinem Vergleich kommen sollte. Da die Gräfin, ganz weiß geworden und zutiefst betroffen über diese gräßliche Vergangenheit, die da auferstand, sich wunderte, daß man sich nicht eher an sie gewandt hatte, dachte Busch sich eine

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