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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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vielleicht den Schwur abverlangt haben, so viele Ungerechtigkeiten wiedergutzumachen, wenn sie schreckliche Katastrophen vermeiden wolle. Dann war der Mann verschwunden. Seit fünf Jahren war sie nun Witwe, aber gehorchte sie tatsächlich einem Befehl aus dem Jenseits, oder hatte sich einfach ihr Anstandsgefühl empört, als sie die Akte ihres Vermögens in die Hand bekam? Die Wahrheit war, daß sie nur noch in einem brennenden Fieber des Verzichts und der Wiedergutmachung lebte. Bei dieser Frau, die keine Liebende gewesen war und die nicht hatte Mutter sein können, entfalteten sich alle verdrängten Zärtlichkeiten, vor allem die verkümmerte Liebe zum Kind, zu einer echten Leidenschaft für die Armen, Schwachen, Enterbten, Leidenden, für all jene, deren gestohlene Millionen sie zu besitzen glaubte und denen sie in einem Almosenregen alles königlich zurückerstatten wollte. Seitdem bemächtigte sich ihrer eine fixe Idee, der Nagel der Besessenheit drang ihr in den Schädel: sie betrachtete sich nur noch als einen Bankier, bei dem die Armen dreihundert Millionen hinterlegt hatten, damit sie zu ihrem Besten verwendet würden; sie war nur noch ein Buchhalter, ein Geschäftsführer, der in Zahlen lebte inmitten eines Völkchens von Notaren, Arbeitern und Architekten. Außerhalb hatte sie ein richtiges großes Büro mit etwa zwanzig Angestellten eingerichtet. Zu Hause, in ihren drei engen Zimmern, empfing sie nur vier oder fünf Vermittler, ihre Leutnants; hier verbrachte sie die Tage an einem Schreibtisch wie der Direktor eines Großunternehmens, in klösterlicher Abgeschiedenheit, fern von aufdringlichen Besuchern, in einem Wust von Papieren, der sie überschwemmte. Ihr Traum war, alle Nöte zu erleichtern, die des Kindes, welches leidet, weil es geboren wurde, wie auch die des Greises, der nicht sterben kann, ohne zu leiden. Während dieser fünf Jahre, da sie das Gold mit vollen Händen hinauswarf, hatte sie in La Villette die Kinderkrippe Sainte-Marie gegründet, ein großes, helles Gebäude mit weißen Wiegen für die ganz Kleinen und blauen Betten für die Größeren, in dem schon dreihundert Kinder untergebracht waren; das Waisenhaus Saint-Joseph in Saint-Mandé, wo hundert Knaben und hundert Mädchen so erzogen und ausgebildet wurden wie in den bürgerlichen Familien; schließlich für fünfzig Männer und fünfzig Frauen ein Altersheim in Châtillon und in einem Vorort das Krankenhaus Saint-Marceau mit zweihundert Betten, dessen Säle gerade erst eingeweiht worden waren. Aber ihr Lieblingswerk, das in diesem Augenblick ihr ganzes Herz in Anspruch nahm, war das »Werk der Arbeit«, ihre ureigenste Schöpfung, ein Haus, das die Erziehungsanstalt ersetzen sollte: dreihundert Kinder, hundertfünfzig Mädchen und hundertfünfzig Knaben, die auf dem Pariser Pflaster in der Ausschweifung und im Verbrechen gelebt hatten, wurden hier durch gute Behandlung und die Erlernung eines Berufes auf den rechten Weg gebracht. Diese verschiedenen Gründungen, beträchtliche Schenkungen und eine verrückte Verschwendungssucht der Barmherzigkeit hatten in fünf Jahren nahezu hundert Millionen verschlungen. Noch ein paar Jahre so weiter, und die Fürstin war ruiniert, ohne sich selbst die kleine Rente für Brot und Milch, ihre tägliche Nahrung, gesichert zu haben. Wenn ihre alte Amme Sophie einmal ihr ständiges Schweigen unterbrach, sie mit harten Worten schalt und ihr voraussagte, sie würde noch einmal am Bettelstab enden, hatte sie dafür nur ein schwaches Lächeln, das einzige, das hinfort auf ihren farblosen Lippen erschien, ein göttliches Lächeln der Hoffnung.
    Durch ebenjenes »Werk der Arbeit« machte Saccard die Bekanntschaft der Fürstin dʼOrviedo. Er war einer der Eigentümer des Geländes, das sie dafür aufkaufte, eines alten, mit schönen Bäumen bestandenen Gartens, der an den Park von Neuilly angrenzte und sich längs des Boulevard Bineau hinzog. Er hatte sie durch die lebhafte Art, mit der er bei den Geschäften verhandelte, für sich eingenommen, und sie wollte ihn wegen einiger Schwierigkeiten mit den Bauunternehmern wiedersehen. Er selbst hatte sich für die Arbeiten interessiert, seine Phantasie war gefesselt und bezaubert von dem großartigen Plan, den sie dem Architekten aufzwang: zwei monumentale Flügel – der eine für die Knaben, der andere für die Mädchen –, die untereinander durch ein Hauptgebäude verbunden waren, das die Kapelle, die Gemeinschaftsräume, die Verwaltung und alle Diensträume

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