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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Stück, das der Bankier sofort als unecht erkannte. Dann wollten zwei Damen, eine alte mit einer Nase wie eine Nachteule und eine junge, sehr schöne Brünette, ihm bei sich zu Hause eine Kommode im Louis-Quinze-Stil zeigen; er lehnte es aber rundweg ab, sie sich anzusehen. Es kamen noch ein Juwelier mit Rubinen, zwei Erfinder, Engländer, Deutsche, Italiener, alle Sprachen, alle Geschlechter. Und der Vorbeimarsch der Remisiers ging trotzdem zwischen den anderen Besuchern weiter, ewig vollführten sie immer wieder dieselbe Gebärde, wiesen mechanisch den Kurszettel vor; während die Flut der Angestellten mit dem Nahen der Börsenstunde zunahm, sich immer zahlreicher durch das Zimmer wälzte, Depeschen brachte und um Unterschriften bat.
    Aber der Lärm erreichte seinen Höhepunkt, als ein kleiner Junge von fünf oder sechs Jahren, auf einem Stecken reitend, in das Arbeitszimmer eindrang und dazu Trompete blies; und gleich danach erschienen noch zwei Kinder, zwei kleine Mädchen, das eine drei, das andere acht Jahre alt, die den Sessel des Großvaters umringten, ihn an den Armen zogen und sich ihm an den Hals hängten. Friedlich ließ er sich alles gefallen und küßte sie mit dieser jüdischen Leidenschaft für die Familie, für die zahlreiche Nachkommenschaft, die die Stärke ausmacht und die man verteidigt.
    Plötzlich schien er sich an Saccard zu erinnern.
    »Ach, mein lieber Freund, Sie entschuldigen mich, Sie sehen ja, daß ich nicht eine Minute für mich habe … Erklären Sie mir jetzt Ihre Sache.«
    Und er begann ihm zuzuhören, als ein Angestellter, der einen großen blonden Herrn hereingeführt hatte, ihm einen Namen ins Ohr flüsterte. Er erhob sich sogleich, doch ohne Hast, und ging mit dem Herrn an ein anderes Fenster, um etwas zu besprechen, während einer seiner Söhne an seiner Stelle die Remisiers und Kulissenmakler empfing.
    Trotz seiner dumpfen Gereiztheit empfand Saccard unwillkürlich Hochachtung. Er hatte in dem blonden Herrn den Vertreter einer Großmacht erkannt, der in den Tuilerien voller Dünkel war und hier mit leicht geneigtem Kopf lächelnd als Bittsteller dastand. An anderen Tagen wurden hohe Verwaltungsbeamte, ja sogar Minister des Kaisers stehend in diesem Zimmer empfangen, das wie ein öffentlicher Platz war, von Kinderlärm erfüllt. Und so bestätigte sich die Allmacht dieses Mannes, der eigene Gesandte an allen Höfen der Welt, Konsuln in allen Provinzen, Agenturen in allen Städten und Schiffe auf allen Meeren hatte. Er war keineswegs ein Spekulant, ein Kapitän des Abenteuers, der die Millionen der anderen einsetzte und, wie Saccard, von heldenhaften Kämpfen träumte, in denen er siegte, in denen er dank dem gedungenen, in seinen Dienst verpflichteten Gold eine Riesenbeute für sich gewann; er war, wie er bieder zu sagen pflegte, ein einfacher Geldhändler, der gewandteste, der eifrigste, den man sich vorstellen konnte. Doch um seine Macht zu festigen, mußte er freilich die Börse beherrschen; und so war jede Liquidation eine neue Schlacht, bei der ihm der Sieg auf Grund der entscheidenden Kraft seiner starken Bataillone unweigerlich zufiel. Saccard, der ihn beobachtete, wurde einen Augenblick von dem Gedanken niedergedrückt, daß dieses ganze Geld, das Gundermann in Bewegung setzte, ihm gehörte, daß er in seinen Kellern einen unerschöpflichen Vorrat an Ware für sich hatte, mit der er als verschlagener und kluger Kaufmann handelte, als unumschränkter Herr, dem alle auf einen Blick hin gehorchten, der alles selbst hören, selbst sehen, selbst machen wollte. Der Besitz einer Milliarde, mit der man so operiert, ist eine unüberwindliche Macht.
    »Wir sollen keine Minute für uns haben, mein lieber Freund«, sagte Gundermann, als er zurückkam. »Wissen Sie, ich esse gleich zu Mittag, kommen Sie doch mit mir nach nebenan. Da läßt man uns vielleicht in Ruhe.«
    Nebenan war der kleine Speisesaal des Palais, in dem sich die Familie nie vollzählig einfand. An jenem Tag waren sie nur neunzehn bei Tisch, davon acht Kinder. Der Bankier saß in der Mitte, und vor sich hatte er nur eine Schale voll Milch.
    Erschöpft vor Müdigkeit, verharrte er einen Augenblick mit geschlossenen Augen, sein Gesicht war sehr bleich und verzerrt, denn er war leber- und nierenleidend; als er dann mit zitternden Händen die Schale an die Lippen geführt und einen Schluck getrunken hatte, seufzte er.
    »Ach, ich bin heute richtig erschöpft!«
    »Warum ruhen Sie sich nicht aus?« fragte

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