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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Saccard.
    Gundermann sah ihn verdutzt an und sagte:
    »Aber ich kann doch nicht!«
    Tatsächlich ließ man ihn nicht einmal seine Milch in Ruhe trinken, denn der Empfang der Remisiers hatte wieder begonnen, der Galopp durchquerte jetzt den Speisesaal, während die Familienmitglieder, die Männer und die Frauen, die an dieses Gedränge gewöhnt waren, lachten und tüchtig bei den kalten Braten und dem Gebäck zulangten und die Kinder, von zwei Fingerhutvoll unvermischten Weins aufgekratzt, einen ohrenbetäubenden Radau vollführten.
    Saccard betrachtete noch immer Gundermann und wunderte sich, wie er seine Milch so mühselig in langsamen Schlücken hinuntertrank, daß es schien, als sollte er nie den Boden der Schale erreichen. Man hatte ihn auf Milchdiät gesetzt, er durfte nicht einmal mehr einen Braten oder ein Stück Kuchen anrühren. Was nutzte ihm dann seine ganze Milliarde? Auch die Frauen hatten ihn niemals gereizt: vierzig Jahre lang hatte er der seinen unbedingte Treue gehalten, und heute war seine Mäßigung notgedrungen und unwiderruflich endgültig. Wozu also schon um fünf Uhr aufstehen, dieses abscheuliche Gewerbe betreiben, sich durch diese unerhörte Überanstrengung zugrunde richten, das Leben eines Galeerensträflings führen, das kein Bettler auf sich genommen hätte, sein Gedächtnis mit Zahlen vollstopfen, so daß einem der Schädel von all diesen Sorgen förmlich zerplatzte? Wozu dieses unnütze Gold dem vielen Gold noch hinzufügen, wenn man auf der Straße kein Pfund Kirschen kaufen und essen, kein Mädchen, das vorbeigeht, in eine Schenke am Wasser führen, nicht alles genießen kann, was käuflich ist, weder Faulheit noch Freiheit? Und Saccard, der doch selber in seinen schrecklichen Begierden das Geld um seiner selbst willen liebte, wegen der Macht, die es verleiht, fühlte sich von einer Art heiligen Schauers ergriffen, als er diese Gestalt sich recken sah: nicht mehr der klassische Geizhals, der seine Schätze hörtet, sondern der unfehlbare Arbeiter ohne fleischliches Bedürfnis, in seinem kränklichen Greisenalter gleichsam unkörperlich geworden, der hartnäckig an seinem Turm von Millionen weiterbaut mit dem einzigen Traum, ihn den Seinen zu hinterlassen, damit sie ihn noch größer machten, bis er die Erde beherrschte.
    Endlich beugte sich Gundermann vor und ließ sich leise die geplante Gründung der Banque Universelle erklären. Saccard hielt mit Einzelheiten zurück und deutete die Pläne in Hamelins Mappe nur an, da er schon bei den ersten Worten gespürt hatte, daß der Bankier ihm die Beichte abnehmen wollte und von vornherein entschlossen war, ihn danach höflich abzuweisen.
    »Noch eine Bank, mein lieber Freund, noch eine Bank!« wiederholte er mit seiner spöttischen Miene. »Ich würde mein Geld eher in ein anderes Geschäft stecken, in eine Maschine, ja, eine Guillotine, mit der man all diesen Banken, die gegründet werden, den Hals durchschneiden kann … Eine Harke, wissen Sie, um die Börse zu säubern. So was hat Ihr Ingenieur wohl nicht in seinen Papieren?«
    Dann gab er sich väterlich und fügte mit grausamer Gelassenheit hinzu:
    »Sehen Sie mal, seien Sie doch vernünftig, Sie wissen, was ich Ihnen gesagt habe … Sie sollten wirklich nicht wieder mit den Geschäften anfangen, ich erweise Ihnen nur einen Dienst, wenn ich es ablehne, Ihrem Konsortium auf die Beine zu helfen … Sie machen todsicher Pleite, das können Sie sich an den zehn Fingern ausrechnen, denn Sie sind viel zu leidenschaftlich, Sie haben zuviel Phantasie; außerdem nimmt es immer ein schlechtes Ende, wenn man mit dem Geld anderer Leute handelt … Warum verschafft Ihnen Ihr Bruder nicht eine gute Stellung, wie? Eine Präfektur oder ein Steueramt – nein, kein Steueramt, das ist noch zu gefährlich … Nehmen Sie sich in acht, nehmen Sie sich in acht, mein lieber Freund.«
    Bebend war Saccard aufgestanden.
    »Sie sind also entschlossen, keine Aktien zu nehmen, Sie wollen nicht mitmachen?«
    »Mit Ihnen? Nie im Leben! Es dauert keine drei Jahre, dann hat man Sie gefressen.«
    Es folgte ein schlachtenschwangeres Schweigen, ein scharfer, herausfordernder Blickwechsel.
    »Dann guten Tag! … Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen und bin sehr hungrig. Mal sehen, wer gefressen wird!«
    Und er ließ Gundermann inmitten seiner Sippe zurück, die lärmend die Reste des Backwerks in sich hineinstopfte, während der Bankier die letzten verspäteten Makler empfing, für Augenblicke vor Ermüdung die Augen

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