Das Geld - 18
die Tatsache, daß sie sich hatte unterrichten wollen, zeigte ihm, daß sie mißtrauisch und bereit war, ihn mit den verständigen, alles durchschauenden Augen einer Frau zu überwachen.
»Ach«, versetzte er mit einer Gebärde, die die müßigen Bedenken beiseite schob, »wenn Sie glauben, daß wir uns nach den Spitzfindigkeiten des Gesetzbuches richten werden! Wir könnten ja keine zwei Schritte tun, ohne zu stolpern, während uns die anderen, unsere Konkurrenten, im Laufschritt davonrennen würden! Nein und abermals nein, ich warte bestimmt nicht, bis das ganze Kapital gezeichnet ist. Außerdem ist es mir lieber, wenn wir uns Aktien zurücklegen; ich finde dann schon einen Mann für uns, dem ich ein Konto eröffnen kann und der sich als unser Strohmann hergibt.«
»Das ist verboten«, erklärte sie unumwunden mit ihrer schönen ernsten Stimme.
»Natürlich ist es verboten, aber alle Gesellschaften tun es.«
»Dann tun sie unrecht, denn es ist schlecht.«
Saccard, der sich durch eine plötzliche Willensanstrengung zur Ruhe zwang, glaubte sich nun an Hamelin wenden zu müssen, der verlegen zuhörte, ohne zu vermitteln.
»Mein lieber Freund, ich hoffe, daß Sie nicht an mir zweifeln … Ich bin ein alter Praktiker mit einiger Erfahrung, Sie können sich ganz auf mich verlassen, was die finanzielle Seite des Geschäfts betrifft. Bringen Sie mir gute Einfälle – ich übernehme es, daraus allen wünschenswerten Gewinn zu ziehen und dabei ein so geringes Risiko wie möglich einzugehen. Ich meine, daß ein Mann der Praxis nichts Besseres sagen kann.«
Der Ingenieur, der im Grunde ungemein schüchtern und schwach war, bog die Angelegenheit ins Scherzhafte ab, um einer direkten Antwort auszuweichen.
»Oh, in Caroline werden Sie einen richtigen Inspektor haben. Sie ist der geborene Schulmeister.«
»Ich möchte ja auch sehr gern zu ihr in die Schule gehen«, sagte Saccard galant.
Frau Caroline mußte jetzt selbst wieder lachen. Und die Unterhaltung wurde in einem Ton vertraulichen Wohlwollens fortgesetzt.
»Ich hebe eben meinen Bruder so sehr, und auch Sie Hebe ich mehr, als Sie denken, und deshalb würde es mir großen Kummer bereiten, wenn ich sehen müßte, daß Sie sich auf dunkle Geschäfte einlassen, an deren Ende nur Zusammenbruch und Traurigkeit stehen … Ich will Ihnen sagen, weil wir nun einmal beim Thema sind: ich habe eine fürchterliche Angst vor der Spekulation, vor dem Börsenspiel! Ich war so glücklich, als ich in dem Entwurf für die Statuten, den Sie mich haben abschreiben lassen, in Artikel 8 las, daß sich die Gesellschaft aufs strengste jedes Termingeschäft untersagt. Das bedeutet doch, sich das Börsenspiel zu untersagen, nicht wahr? Und dann haben Sie mich ernüchtert, als Sie sich über mich lustig machten und mir erklärten, das sei einfach nur ein Artikel zur Verzierung, eine stilistische Floskel, so etwas aufzunehmen sei für alle Gesellschaften Ehrensache, aber keine einzige richte sich danach … Sie wissen nicht, worauf ich hinauswill? Anstelle dieser Aktien, dieser fünfzigtausend Aktien, die Sie emittieren wollen, sollten Sie nur Obligationen ausgeben. Oh, Sie sehen, ich bin sehr bewandert, seitdem ich das Gesetzbuch lese, ich weiß jetzt, daß man mit einer Obligation67 nicht spekuliert, daß ein Inhaber von Obligationen ein einfacher Gläubiger ist, der soundso viel Prozent für sein Darlehen einstreicht, ohne an den Gewinnen interessiert zu sein, während der Aktionär ein Gesellschafter ist, der das Risiko von Gewinn und Verlust auf sich nimmt … Sagen Sie, warum keine Obligationen? Das wäre so beruhigend für mich, ich wäre so glücklich!«
Sie übertrieb scherzhaft das Flehentliche ihres Ansuchens, um ihre tatsächliche Unruhe zu verbergen. Und Saccard antwortete im gleichen Ton mit gespielter Entrüstung:
»Obligationen, Obligationen! Nie im Leben! Was, zum Teufel, wollen Sie mit Obligationen? Das ist totes Zeug … Begreifen Sie doch, die Spekulation, das Börsenspiel ist das zentrale Räderwerk, das Herz eines so großen Geschäfts wie des unseren. Ja, das Herz, das das Blut mobilisiert, es überall in kleinen Bächlein aufnimmt, sammelt, in Strömen in alle Richtungen zurückfließen läßt und einen ungeheuren Geldumlauf bewirkt, der das Leben der großen Geschäfte ausmacht. Ohne Spekulation sind die großen Kapitalbewegungen und die daraus resultierenden großen zivilisatorischen Werke gar nicht denkbar … Das ist wie bei den Aktiengesellschaften, was hat man
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