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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sowie sechs andere Zimmer für weitere Geschäftsräume abtreten und nur ein Schlafzimmer und einen Ankleideraum behalten, so daß er oben bei den Hamelins leben, essen und die Abende verbringen müßte; auf diese Weise wäre die Bank mit geringen Kosten einzurichten, ein wenig beengt zwar, doch sehr seriös. Als Hausbesitzerin hatte die Fürstin in ihrem Haß auf alle Geldgeschäfte zunächst abgelehnt: nie sollte ihr Haus solchem Greuel Obdach bieten. An jenem Tag aber, als die Religion ins Geschäft gebracht wurde und sie von der Größe des Zieles bewegt war, willigte sie ein. Das war ein äußerstes Zugeständnis, und sie verspürte einen leisen Schauder, wenn sie an diese Höllenmaschine dachte, ein Kreditinstitut, ein Haus der Börse und der Agiotage66, deren Tod und Ruin bringendes Räderwerk sie so unter ihrem Dach errichten ließ.
    Eine Woche nach diesem gescheiterten Versuch konnte Saccard endlich mit Freude erleben, wie das mit so vielen Hindernissen gespickte Geschäft plötzlich in ein paar Tagen abgemachte Sache war. Eines Morgens kam Daigremont und sagte ihm, daß er alle Zusagen habe und daß es losgehen könne. Man prüfte ein letztes Mal den Entwurf für die Statuten und setzte den Gesellschaftsvertrag auf. Und es war auch höchste Zeit für die Hamelins, denen das Leben schon wieder hart zusetzte. Hamelin hegte seit Jahren nur den einen Traum, nämlich beratender Ingenieur an einem großen Kreditinstitut zu werden: er wollte der Mühle das Wasser zuführen, wie er immer sagte. Daher hatte ihn Saccards fieberhafte Erregung nach und nach angesteckt, und er brannte in gleicher Weise vor Eifer und Ungeduld. Frau Caroline dagegen, die der Gedanke an die schönen und nützlichen Dinge, die man vollbringen wollte, zunächst begeistert hatte, schien jetzt weniger Feuer und Flamme und setzte eine nachdenkliche Miene auf, seitdem man in das Gestrüpp und den Morast der Ausführung eindrang. Ihr gesunder Menschenverstand, der sie so sehr auszeichnete, ihr geradliniges Wesen witterten allerlei dunkle und unsaubere Löcher; und sie zitterte vor allem um ihren Bruder, den sie anbetete und den sie bisweilen trotz seines großen Wissens lachend einen »großen Dummkopf« nannte. Nicht daß sie auch nur im geringsten an der absoluten Ehrlichkeit ihres  Freundes zweifelte, der sich so für ihr Glück aufopferte; aber sie hatte das seltsame Gefühl, als wankte der Boden unter ihr, und sie fürchtete, beim ersten Fehltritt zu stürzen und zu versinken.
    An jenem Morgen ging Saccard, nachdem Daigremont ihn verlassen hatte, freudestrahlend in den Zeichensaal hinauf.
    »Endlich ist es geschafft!« rief er.
    Hamelin kam auf ihn zu und schüttelte ihm, ergriffen und mit feuchten Augen, die Hände, als wollte er sie zerbrechen. Da aber Frau Caroline, ein wenig bleich, sich einfach nur zu ihm umgedreht hatte, fügte Saccard hinzu:
    »Nanu, ist das alles, was Sie mir zu sagen haben? Freuen Sie sich so wenig darüber?«
    Sie lächelte gütig.
    »Aber ja, ich versichere Ihnen, ich bin sehr, sehr froh.«
    Als er ihrem Bruder dann Einzelheiten über das endgültig gebildete Konsortium mitgeteilt hatte, schaltete sie sich mit ihrer friedfertigen Miene ein.
    »Es ist doch erlaubt, nicht wahr, sich so zu mehreren zusammenzutun, um sich untereinander in die Aktien einer Bank zu teilen, noch bevor die Emission erfolgt ist?«
    Mit heftiger Gebärde bejahte er.
    »Aber sicher ist das erlaubt! Halten Sie uns für so dumm, einen Mißerfolg zu riskieren! Ganz abgesehen davon brauchen wir für die Anfangsschwierigkeiten solide Leute, Beherrscher des Marktes … Jetzt sind immerhin vier Fünftel unserer Aktien in sicheren Händen. Der Gesellschaftsvertrag kann beim Notar unterschrieben werden.«
    Sie wagte es, ihm die Stirn zu bieten.
    »Ich nahm an, das Gesetz fordert die volle Zeichnung des Gesellschaftskapitals.«
    Diesmal schaute er ihr höchst überrascht ins Gesicht.
    »Sie lesen also das Gesetzbuch?«
    Und sie errötete leicht, denn er hatte es erraten: am Abend zuvor hatte sie ihrem Unbehagen nachgegeben, dieser dumpfen Furcht ohne genauen Grund, und die Paragraphen über die Gesellschaften gelesen. Sie wollte schon lügen, doch dann gestand sie lachend:
    »Ja, es ist wahr, ich habe gestern das Gesetzbuch gelesen. Und hinterher, als ich meine Ehrlichkeit und die der anderen prüfte, war mir unwohl, so wie man alle möglichen Krankheiten bei sich vermutet, wenn man medizinische Bücher gelesen hat.«
    Saccard geriet in Zorn, denn

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