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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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bin zu einer Sache entschlossen, die mir bisher zuwider war … Ja, der Gedanke, Geld arbeiten zu lassen, es verzinslich anzulegen, ist mir nie in den Sinn gekommen: veraltete Lebensauffassungen, ein wenig törichte Skrupel, ich weiß; aber was wollen Sie dagegen machen? Man wirft Glaubenssätze, die man mit der Muttermilch eingesogen hat, nicht so leicht über Bord, und ich dachte mir immer, daß allein die Erde, der Großgrundbesitz, solche Leute wie uns ernähren sollte … Leider, der Großgrundbesitz …«
    Sie errötete leicht, denn sie war damit beim Eingeständnis ihres Ruins angelangt, den sie so sorgfältig zu verheimlichen suchte.
    »Der Großgrundbesitz existiert kaum noch … Wir sind schwer geprüft … Es bleibt uns nur noch ein Pachthof.«
    Nun ereiferte sich Saccard und bot seine Überzeugungskünste auf, um ihr jegliche Verlegenheit zu ersparen.
    »Aber Frau Gräfin, kein Mensch lebt mehr vom Grund und Boden … Der alte Landbesitz ist eine überholte Form des Reichtums, die ihre Daseinsberechtigung verloren hat. Grundbesitz hieß Stagnation des Geldes, dessen Wert wir verzehnfacht haben, indem wir es in Form von Papiergeld und Wertpapieren aller Art aus dem Bereich des Handels und der Banken in Umlauf brachten. So wird die Welt erneuert werden, denn nichts war möglich ohne das Geld, ohne das flüssige Geld, das umläuft und überall eindringt, weder die Anwendung der Wissenschaft noch der endgültige, universelle Frieden … Oh, der Landbesitz teilt das Schicksal der alten Postkutschen! Mit einer Million an Ländereien muß man verhungern, mit einem Viertel dieses Kapitals, in guten Geschäften zu fünfzehn, zwanzig oder sogar dreißig Prozent angelegt, kann man leben.«
    In ihrer grenzenlosen Traurigkeit schüttelte die Gräfin sanft den Kopf.
    »Ich verstehe davon so gut wie nichts, denn zu meiner Zeit, ich sagte es schon, hatte man Angst vor diesen Dingen wie vor etwas Bösem und Verbotenem … Doch ich bin nicht allein, ich muß vor allem an meine Tochter denken. Seit einigen Jahren ist es mir gelungen, etwas beiseite zu legen, oh! nur eine kleine Summe …«
    Sie errötete von neuem.
    »Zwanzigtausend Francs, die bei mir zu Hause in einem Schubfach schlummern. Später würde mir vielleicht das Gewissen schlagen, daß ich sie so unproduktiv habe liegenlassen; und da ja Ihr Werk gut ist, wie ich von meiner Freundin weiß, da Sie ja für jenes Ziel arbeiten wollen, das wir alle mit unseren glühendsten Wünschen ersehnen, möchte ich den Versuch wagen … Kurzum, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir für einen Betrag von zehn- oder zwölf tausend Francs Aktien Ihrer Bank reservieren könnten. Ich habe Wert darauf gelegt, daß meine Tochter mich begleitet, denn ich verhehle Ihnen nicht, daß dieses Geld ihr gehört.«
    Bis dahin hatte Alice den Mund nicht aufgetan und schien wie abwesend, trotz ihres lebhaften, intelligenten Blicks. Jetzt machte sie eine zärtlich vorwurfsvolle Gebärde.
    »Oh, wieso mir, Mama? Gehört nicht alles, was ich habe, auch Euch?«
    »Und deine Heirat, mein Kind?«
    »Aber Ihr wißt doch, daß ich nicht heiraten will!«
    Sie hatte das zu schnell gesagt, ihre dünne Stimme verriet den Kummer über ihre Einsamkeit. Die Mutter brachte sie mit einem herzzereißenden Blick zum Schweigen; beide schauten sich einen Augenblick lang an, denn sie konnten sich nicht belügen, wo sie doch täglich gemeinsam erleben mußten, was sie zu leiden und zu verbergen hatten.
    Saccard war sehr bewegt.
    »Frau Gräfin, selbst wenn keine Aktien mehr da wären, würde ich trotzdem welche für Sie auftreiben. Ja, wenn es sein muß, nehme ich von meinen eigenen … Ihr Besuch berührt mich außerordentlich stark, ich fühle mich durch Ihr Vertrauen sehr geehrt …«
    Und in diesem Augenblick glaubte er wirklich, diese unglücklichen Frauen reich zu machen, indem er sie ein wenig an dem Goldregen teilhaben ließ, der sich über ihn und seine Umgebung ergießen sollte.
    Die Damen hatten sich erhoben und wollten gehen. Erst an der Tür erlaubte sich die Gräfin eine direkte Anspielung auf das große Unternehmen, von dem man nicht sprach.
    »Mein Sohn Ferdinand, der in Rom ist, hat mir einen traurigen Brief geschrieben; die Nachricht vom Rückzug unserer Truppen68 hat dort unten große Niedergeschlagenheit ausgelöst.«
    »Geduld!« erklärte Saccard mit Überzeugung. »Wir sind ja da, um alles zu retten.«
    Unter tiefen Verbeugungen begleitete er sie zum Treppenabsatz, wobei er diesmal durch das

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