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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Vorzimmer ging, das er leer wähnte. Doch als er zurückkam, sah er auf einer Bank einen großen hageren Mann von etwa fünfzig Jahren sitzen, der wie ein sonntäglich gekleideter Arbeiter aussah und ein schlankes, blasses hübsches Mädchen von achtzehn Jahren bei sich hatte.
    »Nanu, was wollen Sie denn?«
    Das junge Mädchen hatte sich als erste erhoben, und der Mann, durch diesen schroffen Empfang eingeschüchtert, stotterte eine verworrene Erklärung.
    »Ich hatte Anweisung gegeben, alle Leute wegzuschicken! Warum sind Sie noch da? Sagen Sie mir wenigstens Ihren Namen.«
    »Dejoie, Herr Saccard, und ich komme mit meiner Tochter Nathalie …«
    Wieder verhaspelte er sich, so daß ihn Saccard in seiner Ungeduld schon zur Tür drängen wollte, als er endlich begriff, daß Frau Caroline den Mann seit langem kannte und ihm gesagt hatte, er solle warten.
    »Ach, Frau Caroline hat Sie empfohlen? Das hätten Sie gleich sagen müssen … Treten Sie ein und machen Sie schnell, ich bin nämlich sehr hungrig.«
    Im Arbeitszimmer bot er Dejoie und Nathalie keinen Platz an und blieb selber auch stehen, um die beiden schneller abfertigen zu können. Maxime, der nach dem Weggang der Gräfin seinen Sessel verlassen hatte, war nicht taktvoll genug, sich zu entfernen, sondern musterte die Neuankömmlinge mit neugieriger Miene. Und Dejoie erzählte lang und breit seine Geschichte.
    »Sehen Sie, Herr Saccard … Ich habe beim Militär meinen Abschied genommen, dann habe ich als Bürodiener bei Herrn Durieu gearbeitet, dem Mann von Frau Caroline, als er noch lebte und seine Brauerei hatte. Dann habe ich bei Herrn Lamberthier gearbeitet, dem Geschäftsführer der Markthalle. Dann habe ich bei Herrn Blaisot gearbeitet, dem Bankier, den Sie gut kennen: vor zwei Monaten hat er sich eine Kugel in den Kopf geschossen, und jetzt bin ich ohne Stellung … Ich muß Ihnen aber vor allem sagen, daß ich geheiratet hatte. Ja, ich hatte meine Frau Joséphine geheiratet, justament als ich bei Herrn Durieu Bürodiener und sie bei Frau Lévêque, der Schwägerin von Herrn Durieu, Köchin war, Frau Caroline hat Frau Lévêque gut gekannt. Als ich dann bei Herrn Lamberthier war, konnte sie dort keine Stellung bekommen und ist bei einem Arzt in Grenelle, Herrn Renaudin, untergekommen. Dann hat sie im Kaufhaus Trois-Frères in der Rue Rambuteau gearbeitet, wo wir das Pech hatten, daß dort nie eine Stelle für mich frei war …«
    »Mit einem Wort«, unterbrach ihn Saccard, »Sie wollen mich um einen Posten bitten, nicht wahr?«
    Aber Dejoie beharrte darauf, ihm den Kummer seines Lebens zu erzählen, das Unglück, das ihn hatte eine Köchin heiraten lassen, ohne daß es ihm je gelungen wäre, im gleichen Haus wie sie unterzukommen. Sie lebten gleichsam so, als wären sie gar nicht verheiratet, da sie nie ein gemeinsames Zimmer für sich hatten, sich nur in den Kneipen sahen und nur hinter den Küchentüren umarmen konnten. Dann war ihnen eine Tochter geboren worden, Nathalie, die sie hatten in Pflege geben müssen, bis sie acht Jahre alt war und der Vater sie, des Alleinseins müde, zu sich in sein enges Junggesellenstübchen nahm. Er war so die wahre Mutter der Kleinen geworden, zog sie auf, brachte sie zur Schule, betreute sie mit unendlicher Fürsorge. Und sein Herz quoll über von abgöttischer Liebe, die von Tag zu Tag größer wurde.
    »Ach, ich kann wohl sagen, Herr Saccard, daß ich meine Freude an ihr habe. Sie ist gebildet, sie ist anständig … Und wie Sie sehen, gibt es an Liebreiz nicht ihresgleichen.«
    In der Tat fand Saccard diese blonde Blume des Pariser Pflasters reizend in ihrer ärmlichen Anmut, mit ihren großen Augen unter den Löckchen der mattblonden Haare. Sie ließ sich von ihrem Vater verwöhnen und war noch sittsam, weil sie keinen Nutzen darin sah, es nicht zu sein, und aus ihren klaren hellen Augen sprach ein wilder, unbekümmerter Egoismus.
    »Jetzt, Herr Saccard, ist sie nun im heiratsfähigen Alter, und es bietet sich eine feine Partie, von unserm Nachbarn, einem Papierwarenhändler, der Sohn. Bloß, der Junge will ein Geschäft aufmachen und verlangt sechstausend Francs. Das ist nicht zuviel, er könnte schon auf ein Mädchen spekulieren, das mehr hat … Und da muß ich Ihnen sagen, daß ich vor vier Jahren meine Frau verloren habe und daß sie uns Ersparnisse hinterlassen hat, ihren kleinen Verdienst als Köchin, verstehen Sie? So habe ich viertausend Francs, aber das macht noch keine sechstausend, und der junge Mann

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