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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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jetzt das korrekte Betragen eines ordentlichen jungen Mannes an den Tag legte, der sein Leben nicht noch mehr verpfuschen möchte. Er übte größte Nachsicht, sofern seine Interessen nicht bedroht waren.
    »Meine Güte, du hast freilich recht, wenn es dich nicht zu sehr anstrengt … Ich habe schon Rheumatismus, wie du weißt.«
    Maxime ließ sich bequem in einem Sessel nieder und nahm eine Zeitung.
    »Kümmere dich nicht um mich, empfange weiter deine Besucher, wenn ich dich nicht störe … Ich bin zu früh gekommen, weil ich bei meinem Arzt vorbeifahren mußte und ihn nicht angetroffen habe.«
    In diesem Augenblick trat der Kammerdiener ein und sagte, die Gräfin Beauvilliers bitte darum, empfangen zu werden. Saccard war ein wenig überrascht, obwohl er seiner vornehmen Nachbarin, wie er sie nannte, schon im »Werk der Arbeit« begegnet war, und gab die Weisung, sie sofort hereinzuführen; dann rief er den Diener noch einmal zurück und befahl ihm, alle anderen Leute wegzuschicken, da er müde und sehr hungrig war.
    Als die Gräfin eintrat, bemerkte sie Maxime gar nicht, den die Lehne des großen Sessels verdeckte. Um so mehr wunderte sich Saccard, als er sah, daß sie ihre Tochter Alice mitgebracht hatte. Das verlieh ihrem Besuch größere Feierlichkeit: diese beiden so traurigen, so blassen Frauen, die Mutter schlank, groß, schlohweiß, von altmodischem Aussehen, die Tochter schon ältlich mit einem bis zur Häßlichkeit langen Hals. Saccard rückte mit überstürzter Höflichkeit Stühle heran, um seine Ehrerbietung deutlicher zu zeigen.
    »Frau Gräfin, ich fühle mich außerordentlich geehrt … Wenn mir das Glück widerfahren sollte, Ihnen dienlich sein zu können …«
    Die Gräfin, äußerst schüchtern trotz ihres hoheitsvollen Gebarens, erklärte schließlich den Grund ihres Besuches.
    »Herr Saccard, nach einem Gespräch mit meiner Freundin, der Fürstin dʼOrviedo, ist mir der Gedanke gekommen, Sie zu besuchen … Ich gestehe Ihnen, daß ich zuerst gezögert habe, denn in meinem Alter ändert man seine Anschauungen nicht so leicht, und ich hatte immer große Furcht vor den neumodischen Dingen, die ich nicht verstehe … Schließlich habe ich mit meiner Tochter darüber gesprochen, und ich glaube, daß es meine Pflicht ist, meine Bedenken beiseite zu schieben und zu versuchen, das Glück der Meinen zu sichern.«
    Und sie fuhr fort, sie erzählte, wie die Fürstin mit ihr über die Banque Universelle gesprochen habe, die sicher in den Augen der Außenstehenden ein Kreditinstitut wie jedes andere sei, aber in den Augen der Eingeweihten eine unwiderlegbare Entschuldigung habe, ein so verdienstvolles und hohes Ziel, daß es die strengsten Gewissen zum Schweigen bringen müsse. Sie nannte weder den Namen des Papstes, noch erwähnte sie Jerusalem: derlei sprach man nicht aus, flüsterte es kaum unter Gläubigen, das war das begeisternde Mysterium. Aber jedes ihrer Worte, jede ihrer Anspielungen und Auslassungen offenbarten eine Hoffnung und ein Vertrauen, die ihren Glauben an den Erfolg der neuen Bank mit einer wahren religiösen Glut erfüllten.
    Saccard war selber erstaunt über ihre verhaltene Erregung, über das Zittern in ihrer Stimme. Er hatte von Jerusalem bis jetzt nur im lyrischen Überschwang seines Fiebers gesprochen, er mißtraute im Grunde diesem verrückten Plan, witterte darin etwas Lächerliches und war geneigt, das Projekt aufzugeben und sich darüber lustig zu machen, falls es mit Spott aufgenommen würde. Und die Rührung im Verhalten dieser frommen Frau, die ihre Tochter mitbrachte, die eindringliche Art, wie sie zu verstehen gab, daß sie und die Ihren, der ganze französische Adel daran glaubten und dafür eingenommen waren, beeindruckte ihn lebhaft, verlieh einer bloßen Träumerei Gestalt und erweiterte sein Betätigungsfeld ins Unendliche. Dort gab es also wirklich einen Hebel, dessen Gebrauch ihm erlauben sollte, die Welt aus den Angeln zu heben! Mit seiner raschen Aufnahmefähigkeit erfaßte er blitzartig die Situation, sprach ebenfalls in geheimnisvollen Worten von jenem endgültigen Triumph, den er stillschweigend anstrebte, und seine Rede war von Inbrunst durchdrungen, der Glaube hatte ihn wirklich angerührt, der Glaube an die Vortrefflichkeit des Mittels zum Handeln, das ihm die Krise des Papsttums in die Hand gab. Er besaß die glückliche Fähigkeit, glauben zu können, sobald es seinen Plänen zum Vorteil gereichte.
    »Kurzum, Herr Saccard«, fuhr die Gräfin fort, »ich

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