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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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für ihre Hingabe war letztlich Mütterlichkeit. Im übrigen war sie eine Frau von klarem gesundem Menschenverstand, sie nahm die Gegebenheiten des Lebens hin, ohne sich mit dem Versuch abzumühen, eine Erklärung für die tausend vielschichtigen Ursachen zu finden. Die Zergliederung von Herz und Hirn, diese verfeinerte, haarspalterische Analyse war in ihren Augen nur eine Zerstreuung für unbeschäftigte Weltdamen, die keinen Haushalt zu führen und kein Kind zu lieben hatten, für intellektuelle Spinnerinnen, die nach Entschuldigungen für ihre Fehltritte suchen und mit ihrer Wissenschaft von der Seele die Begierden des Fleisches bemänteln, die den Herzoginnen und Kellnerinnen gemeinsam sind. Frau Caroline, die eine umfassende Bildung besaß und die früher ihre Zeit darauf verwendet hatte, sich mit Feuereifer in der weiten Welt umzusehen und in den Streitigkeiten der Philosophen Partei zu ergreifen, hegte seither eine tiefe Verachtung für jene psychologischen Spielereien, die als Ersatz für das Klavier und die Stickerei dienen sollen und von denen sie lachend sagte, daß sie mehr Frauen erst zum Laster verführt als davon abgehalten hätten. Deshalb hatte sie an Tagen, da sich Abgründe in ihr auftaten, da sie ihre freie Willensentscheidung beeinträchtigt sah, lieber den Mut, die einmal erkannte Tatsache mit Mut hinzunehmen; und sie zählte darauf, daß die Arbeit des Lebens den Makel tilgen, das Übel heilen werde, so wie der unablässig emporsteigende Saft den Einschnitt im Herzen der Eiche schließt und neues Holz und neue Rinde wachsen läßt. Wenn sie jetzt Saccard gehörte, ohne es gewollt zu haben, ohne sicher zu sein, daß sie Achtung für ihn empfand, so tröstete sie sich über diese Verirrung hinweg, indem sie sich einredete, er sei ihrer nicht unwürdig; sie ließ sich von seinen guten Eigenschaften eines Tatmenschen, von seinem Siegeswillen verführen und wollte ihn für einen guten Menschen halten, der den anderen nützlich ist. Ihr erstes Gefühl der Scham hatte sich in dem weitverbreiteten Bedürfnis verflüchtigt, sich von seinen Fehlern rein zu waschen, und in der Tat war nichts natürlicher und friedlicher als ihr Verhältnis, das einfach eine Vernunftehe war; er war glücklich, sie am Abend, wenn er nicht ausging, bei sich zu haben, und sie brachte ihm mit ihrem lebhaften Verstand und ihrer Redlichkeit eine besänftigende Zuneigung und beinahe mütterliche Gefühle entgegen. Für diesen hartgesottenen Freibeuter des Pariser Pflasters, der sich in allen finanziellen Schlichen auskannte, war es wirklich ein unverdientes Glück, eine Belohnung, gestohlen, wie alles übrige, daß er diese wunderbare Frau besaß, die mit sechsunddreißig Jahren unter dem Schnee ihres dichten weißen Haars so jung und so gesund war; mit dem Mut ihres gesunden Menschenverstandes und mit ihrer so menschlichen Weisheit glaubte sie an das Leben, so wie es ist, trotz des Schlamms, den der Strom mit sich führt.
    Monate vergingen, und man muß sagen, Frau Caroline fand Saccard sehr energisch und sehr umsichtig  während dieser ganzen mühseligen Anfangszeit der Banque Universelle. Ihre Verdächtigungen hinsichtlich seiner dunklen Geschäfte, ihre Ängste, daß er sie und ihren Bruder in eine peinliche Situation bringen könnte, wurden sogar gänzlich zerstreut, wenn sie sah, wie er unaufhörlich mit den Schwierigkeiten kämpfte, wie er sich von früh bis spät abrackerte, um das gute Funktionieren dieser neuen großen Maschine zu gewährleisten, deren Räderwerk knirschte und fast auseinanderbarst; und sie war ihm dankbar dafür, sie bewunderte ihn. Mit der Banque Universelle ging es tatsächlich nicht so voran, wie er gehofft hatte, denn sie hatte die heimliche Feindschaft der Hochfinanz gegen sich: böse Gerüchte liefen um, Hindernisse tauchten auf, blockierten das Kapital und erlaubten nicht die großen einträglichen Versuche. Daher hatte er sich diese langsame Gangart, zu der man ihn zwang, zur Tugend gemacht, ging nur Schritt für Schritt voran auf festem Boden, gab Obacht auf die Morastlöcher und war zu sehr damit beschäftigt, einen Sturz zu vermeiden, als daß er hätte wagen können, sich in die Zufälle der Spekulation zu stürzen. Er verzehrte sich vor Ungeduld und tänzelte wie ein Rennpferd, das zu einem leichten Trab gezügelt wird; aber nie hatte ein Kreditinstitut einen ehrenhafteren und korrekteren Anfang genommen, und an der Börse sprach man darüber voll Verwunderung.
    So nahte der Zeitpunkt der

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