Das Geld - 18
verschwinden zu lassen, eine Art Kampfreserve, die ihr erlauben würde, notfalls zu spekulieren und sich mitten in die Börsenschlacht zu stürzen, um die Kurse zu halten, wenn es zu einer Koalition von Baissiers kommen sollte.
Hamelin mißbilligte zwar diese ungesetzliche Taktik, verließ sich aber bei den Finanzoperationen am Ende völlig auf Saccard; es kam über dieses Thema zwischen ihnen und Frau Caroline zu einer Aussprache, aber nur wegen der fünfhundert Aktien, die er ihnen bei der ersten Emission aufgedrängt und die sich bei der zweiten natürlich verdoppelt hatten: tausend Aktien insgesamt, was bei der Einzahlung eines Viertels und der Prämie hundertfünfunddreißigtausend Francs ergab. Die Geschwister wollten diese Summe unbedingt einzahlen, denn von einer Tante, die zehn Tage nach ihrem einzigen Sohn gestorben war – beide hatte das gleiche Fieber hinweggerafft –, war ihnen eine unverhoffte Erbschaft von etwa dreihunderttausend Francs zugefallen. Saccard ließ sie gewähren, ohne sich über die Art und Weise auszusprechen, wie er seine eigenen Aktien voll bezahlen wollte.
»Ach, diese Erbschaft«, sagte Frau Caroline lachend, »da haben wir das erstemal in unserem Leben Glück gehabt … Ich glaube wohl, daß Sie uns Glück bringen. Mein Bruder mit seinen dreißigtausend Francs Gehalt, seine ansehnliche Auslösung und all dieses Gold, das auf uns herabregnet, weil wir es offenbar nicht mehr brauchen … Jetzt sind wir reich.«
Sie schaute Saccard mit von Herzen kommender Dankbarkeit an, sie war jetzt besiegt und vertraute auf ihn; mit jedem Tag verlor sie durch die wachsende Zuneigung, die er in ihr erweckte, an Scharfblick. Dann ließ sie sich trotzdem von ihrer heiteren Offenheit hinreißen und fuhr fort:
»Trotzdem, wenn ich dies Geld verdient hätte, würde ich es bestimmt nicht in Ihren Geschäften aufs Spiel setzen … Aber eine Tante, die wir kaum gekannt haben, Geld, an das wir nie gedacht hatten, mit einem Wort: auf der Erde gefundenes Geld, das mir nicht einmal ganz ehrlich erworben scheint und dessen ich mich ein wenig schäme … Sie verstehen, es liegt mir nicht am Herzen, ich will es gern verlieren.«
»Eben deshalb«, scherzte Saccard nun seinerseits, »wird es mehr werden und Ihnen Millionen einbringen. Nichts bringt soviel Gewinn wie gestohlenes Geld … In acht Tagen werden Sie sehen, wie die Aktien steigen!«
Und in der Tat erlebte Hamelin, der seine Abreise hatte verschieben müssen, zu seiner Überraschung ein schnelles Anziehen der Universelle-Aktien. Bei der Liquidation Ende Mai war der Kurs auf über siebenhundert Francs gestiegen. Das war das übliche Ergebnis, das nach jeder Kapitalerhöhung eintrat: der klassische Coup, die Art und Weise, den Erfolg herbeizupeitschen, bei jeder neuen Emission die Kurse in Galopp zu bringen. Aber auch die tatsächliche Bedeutung der Unternehmungen, die die Firma fördern wollte, spielte dabei eine Rolle; überall in Paris klebten große gelbe Plakate, die den nahe bevorstehenden Abbau der Silbererzvorkommen des Karmel ankündigten und die Gemüter vollends verwirrten, sie in einen beginnenden Rausch stürzten und jene Leidenschaft entzündeten, die noch anwachsen und jede Vernunft hinwegraffen sollte. Der Boden war bereitet, der aus gärenden Trümmern entstandene, von wilden Begierden erhitzte Boden des Kaiserreiches war außerordentlich günstig für eine jener verrückten Spekulationswellen, die sich alle zehn bis fünfzehn Jahre in der Börse stauen, diese vergiften und hinter sich nur Blut und Ruinen zurücklassen. Schon schossen wurmstichige Gesellschaften wie Pilze aus der Erde, die Großunternehmen drängten zu Finanzabenteuern, mitten in der lärmenden Prosperität des Kaiserreiches kam ein heftiges Spekulationsfieber zum Ausbruch, ein Eklat des Vergnügens und des Luxus, und die bevorstehende Weltausstellung versprach der glanzvolle Schlußpunkt zu werden, die verlogene Apotheose einer Zauberposse. Und in dem Taumel, der die Menge erfaßte, im Geschiebe und Gedränge der Jagd nach den guten Geschäften, die sich auf der Straße anboten, kam die Banque Universelle endlich in Gang wie eine mächtige Maschine, dazu bestimmt, alles verrückt zu machen, alles zu zermahlen, von ungestümen Händen unmäßig angeheizt bis zur Explosion.
Als ihr Bruder in den Orient zurückgereist war, sah sich Frau Caroline wieder allein mit Saccard, und sie nahmen ihr trautes, beinahe eheliches Zusammenleben wieder auf. Sie beharrte darauf,
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