Das Geld - 18
er wieder einmal am Ende.
»Was ist denn los?« fragte er seine Frau, die im Vorzimmer stand.
Doch sie hatte keine Zeit zu antworten, die Tür zum Zimmer des Direktors wurde plötzlich aufgerissen, Saccard erschien auf der Schwelle und rief:
»Jetzt langtʼs mir aber, Dejoie! Wo bleibt denn Herr Huret?«
Verdutzt stotterte der Bürodiener:
»Ja doch, gnädiger Herr, er ist noch nicht da, und ich kann ihn auch nicht schneller herbeischaffen.«
Fluchend machte Saccard die Tür wieder zu, und Jordan, der seine Frau in ein Nebenzimmer geführt hatte, konnte sie in Ruhe ausfragen.
»Was ist denn los, Liebste?«
Die sonst so fröhliche, so tapfere Marcelle, diese kleine, rundliche, brünette Person, die mit ihrem klaren Gesicht, mit ihren lachenden Augen und dem gesunden Mund selbst in schweren Stunden glücklich zu sein schien, hatte völlig die Fassung verloren.
»Oh, Paul, wenn du wüßtest, da ist ein Mann gekommen, oh, ein schrecklicher, ein abscheulicher Mann, er stank und hatte wohl auch getrunken … Er hat gesagt, nun sei Schluß und morgen würden unsere Möbel versteigert … Und er hatte einen Zettel, den er unbedingt anschlagen wollte, unten an der Tür …«
»Aber das ist ja unmöglich!« schrie Jordan. »Ich habe nichts zugeschickt bekommen, da sind doch noch andere Formalitäten zu beachten.«
»Ach, du kennst dich darin noch weniger aus als ich. Wenn so ein Papier kommt, liest du es nicht einmal durch … Damit er wenigstens nicht den Zettel an die Tür klebte, habe ich ihm zwei Francs gegeben und bin hergekommen, um dich gleich zu benachrichtigen.«
Sie waren ganz verzweifelt. Ihre armselige kleine Wohnung in der Avenue de Clichy, diese paar mit blauem Rips bezogenen Mahagonimöbel, die sie so mühselig in monatlichen Raten abgezahlt hatten – sie waren so stolz darauf, obwohl sie manchmal spotteten, weil sie ihnen scheußlich bürgerlich vorkamen! Sie liebten diese Wohnung, weil sie zu ihrem Glück gehörte seit der Hochzeitsnacht in diesen beiden engen, sonnigen Zimmern, wo man so einen weiten Blick hatte bis zum Mont-Valérien. Er hatte so viele Nägel eingeschlagen, und sie hatte sich soviel Mühe gegeben, den billigen Baumwollstoff gefällig zu drapieren, um der Wohnung ein geschmackvolles Aussehen zu verleihen! War es denn möglich, daß man das alles versteigern wollte, daß sie aus diesem hübschen Winkel vertrieben werden sollten, in dem ihnen sogar das Elend köstlich erschien?
»Hör zu«, sagte er, »ich wollte ohnehin um einen Vorschuß bitten, ich will tun, was ich kann, aber ich habe nicht viel Hoffnung.«
Nun vertraute sie ihm zögernd ihren Einfall an.
»Weißt du, ich hab daran gedacht … Oh, ich tuʼs natürlich nicht ohne dein Einverständnis, deshalb bin ich ja gekommen, um mit dir darüber zu reden … Aber ich möchte mich an meine Eltern wenden.«
Er lehnte rundweg ab.
»Nein, auf keinen Fall, niemals! Du weißt, daß ich ihnen nichts schulden will.«
Die Maugendres waren zwar sehr anständig, aber er konnte ihnen nicht vergessen, daß sie sich damals nach dem Selbstmord seines Vaters, der sein Vermögen verloren hatte, auf einmal so kühl verhalten, nur auf den ausdrücklichen Wunsch ihrer Tochter hin in die seit langem geplante Heirat eingewilligt und verletzende Vorsichtsmaßregeln gegen ihn getroffen hatten; zum Beispiel die, nicht einen Sou herauszurücken, da sie überzeugt waren, daß so ein Zeitungsschreiber alles durchbringen würde. Später sollte ihre Tochter erben. Und beide, sie wie er, hatten seither ihren Stolz darein gesetzt, lieber zu verhungern, als die Eltern um etwas zu bitten, abgesehen von der Mahlzeit, die sie einmal in der Woche, am Sonntagabend, bei ihnen einnahmen.
»Glaub mir«, fuhr sie fort, »unsere Zurückhaltung ist lächerlich. Ich bin doch ihr einziges Kind, und eines Tages muß mir sowieso alles zufallen! Mein Vater sagt jedem, der es hören will, daß er mit seinem Zeltplanenhandel in La Villette fünfzehntausend Francs Jahreszinsen verdient hat, und außerdem ist da noch ihre kleine Villa mit dem schönen Garten, wo sie sich zur Ruhe gesetzt haben … Es ist dumm, wenn wir uns so abplacken, wo sie sich so gut stehen. Im Grunde sind sie nie bösartig gewesen. Ich gehe hin zu ihnen, sage ich dir.«
Sie lächelte tapfer und setzte eine entschlossene Miene auf, ganz von dem Wunsch beseelt, ihren lieben Mann glücklich zu machen, der soviel arbeitete, aber bei der Kritik und beim Publikum bisher nur Gleichgültigkeit und ein
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