Das Geld - 18
paar Ohrfeigen geerntet hatte. Ach, sie hätte Geld wie Heu haben wollen, um es ihm darzubringen, und er wäre schön dumm gewesen, den Empfindsamen zu spielen, da sie ihn doch liebte und ihm alles verdankte. Das war
ihr
Märchen vom Aschenbrödel: mit ihren kleinen Händen wollte sie die Schätze ihrer königlichen Familie ihrem verarmten Prinzen zu Füßen legen, um ihm auf seinem Weg zum Ruhm und zur Eroberung der Welt zu helfen.
»Sieh mal«, sagte sie heiter und küßte ihn, »ich muß dir doch zu irgend etwas nütze sein, du kannst doch nicht die ganze Mühe allein haben.«
Er gab nach, und sie einigten sich, daß Marcelle auf der Stelle nach Batignolles in die Rue Legendre gehen sollte, wo ihre Eltern wohnten, und daß sie mit dem Geld hierher zurückkommen würde, damit er noch am selben Abend versuchen konnte zu bezahlen. Als er sie auf den Treppenabsatz hinausbegleitete, so aufgeregt, als begäbe sie sich in eine große Gefahr, mußten sie beiseite treten und Huret vorbeilassen, der endlich kam. Und während Jordan in das Redaktionszimmer zurückging, um seinen Lokalbericht zu beenden, vernahm er aus Jantrous Arbeitszimmer den Lärm von lauten Stimmen.
Saccard, derzeit ein mächtiger Mann und wieder zum Herrn geworden, verlangte Gehorsam, weil er wußte, daß er sie alle in der Hand hatte durch die Hoffnung auf Gewinn und die Angst vor Verlust bei dem Riesenglücksspiel, das er mit ihnen spielte.
»Ach, da sind Sie ja«, rief er, als er Huret erblickte. »Haben Sie sich in der Kammer verspätet, weil Sie dem großen Mann Ihren Artikel eingerahmt darbringen wollten? Ich habe die Nase voll, wissen Sie, von den Weihrauchschwaden, mit denen Sie ihn einhüllen, und ich habe auf Sie gewartet, um Ihnen zu sagen, daß damit Schluß ist, daß Sie uns in Zukunft etwas anderes liefern müssen.«
Verdutzt schaute Huret auf Jantrou. Aber dieser strich sich mit den Fingern durch den Bart und blickte ins Leere, denn er war fest entschlossen, jedwedem Ärgernis aus dem Weg zu gehen und Huret nicht zu Hilfe zu kommen.
»Wieso etwas anderes?« fragte schließlich der Abgeordnete. »Ich liefere Ihnen doch, was Sie von mir verlangt haben! Als Sie ›LʼEspérance‹ übernommen haben, dieses ausgesprochen katholische und königstreue Blatt, das gegen Rougon so hart zu Felde zog, da haben Sie mich gebeten, eine lobende Artikelserie zu schreiben, um Ihrem Bruder zu beweisen, daß Sie ihm nicht feindlich gesinnt sind, und um so die neue Linie der Zeitung anzudeuten.«
»Die Linie der Zeitung, genau das ist es ja«, versetzte Saccard noch heftiger. »Sie kompromittieren die Linie der Zeitung, das mache ich Ihnen zum Vorwurf … Glauben Sie etwa, daß ich mich meinem Bruder völlig ausliefern will? Gewiß, ich habe mit meiner dankbaren Bewunderung und Zuneigung für den Kaiser nie hinter dem Berg gehalten, ich vergesse nicht, was wir alle ihm zu verdanken haben, was besonders ich ihm verdanke. Aber wer auf die begangenen Fehler hinweist, greift doch nicht das Kaiserreich an, sondern tut im Gegenteil seine Pflicht als treuer Untertan … Da ist sie, die Linie der Zeitung: Ergebenheit gegenüber der Dynastie, aber völlige Unabhängigkeit gegenüber den Ministern, den ehrgeizigen Persönlichkeiten, die sich in ihrer Geschäftigkeit nur um die Gunst der Tuilerien streiten!«
Und er unterzog die politische Lage einer Prüfung, um zu beweisen, daß der Kaiser schlecht beraten sei. Er klagte Rougon an, daß er nicht mehr seine autoritäre Tatkraft, seinen einstigen Glauben an die absolute Macht besitze, daß er mit den liberalen Gedanken paktiere, einzig und allein zu dem Zweck, seinen Ministersessel zu behalten. Er schlug sich mit der Faust an die Brust und nannte sich einen unwandelbaren Bonapartisten der ersten Stunde, der an den Staatsstreich glaubte und überzeugt war, daß Frankreichs Heil heute wie damals im Genius und in der Stärke eines einzelnen liege. Ja, anstatt den Weg seines Bruders zu unterstützen, anstatt den Kaiser durch neue Zugeständnisse zum Selbstmord zu drängen, wolle er lieber die Unversöhnlichen der Diktatur um sich versammeln, gemeinsame Sache mit den Katholiken machen, um den raschen Sturz, den er voraussah, aufzuhalten. Und Rougon solle sich hüten, denn »LʼEspérance« könnte ihren Feldzug zugunsten Roms wiederaufnehmen!
Huret und Jantrou hörten ihm zu und staunten über seinen Zorn, denn sie hätten nie eine so glühende politische Überzeugung bei ihm vermutet. Ersterer war so kühn, die
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