Das Geld - 18
jüngsten Maßnahmen der Regierung verteidigen zu wollen.
»Mein Bester, wenn das Kaiserreich auf eine Liberalisierung zusteuert, so wird es doch von ganz Frankreich dazu gedrängt … Der Kaiser wird mitgerissen, und Rougon ist wohl oder übel gezwungen, ihm zu folgen.«
Aber Saccard war bereits zu anderen Vorwürfen übergegangen, ohne sich darum zu kümmern, Logik in seine Angriffe zu bringen.
»Und sehen Sie mal, genauso bedauernswert ist unsere außenpolitische Situation … Seit dem Vertrag von Villafranca75 – nach Solferino – grollt uns Italien, weil wir den Feldzug nicht zu Ende geführt und ihm nicht Venetien gegeben haben; so ist es nun mit Preußen verbündet in der Gewißheit, daß Preußen ihm helfen wird, Österreich zu schlagen … Wenn der Krieg ausbricht, werden Sie sehen, wie es kracht und wie wir dann in der Klemme sitzen; zumal wir nicht hätten zulassen dürfen, daß sich Bismarck und König Wilhelm76 in der Dänemark-Affäre der Herzogtümer bemächtigen, unter Mißachtung eines Vertrages, den Frankreich unterzeichnet hatte: das ist eine Ohrfeige, da gibt es nichts zu deuteln, und wir brauchen jetzt nur noch die andere Wange hinzuhalten … Ach, der Krieg ist unausbleiblich, Sie erinnern sich an die Baisse der italienischen und französischen Papiere im letzten Monat, als man an ein mögliches Eingreifen unsererseits in die Angelegenheiten Deutschlands glaubte. Vielleicht steht Europa schon in vierzehn Tagen in Flammen.«
Immer mehr überrascht, wurde Huret ganz gegen seine Gewohnheit leidenschaftlich.
»Sie reden wie die Zeitungen von der Opposition, Sie wollen doch nicht etwa, daß ›LʼEspérance‹ in die Fußtapfen von ›Le Siècle‹77 und den anderen tritt … Es fehlt nur noch, daß Sie nach dem Vorbild dieser Blätter zu verstehen geben, der Kaiser habe sich in der Frage der Herzogtümer demütigen lassen und Preußen erlaubt, sich ungestraft zu vergrößern, weil er ein ganzes Armeekorps monatelang in Mexiko gebunden hat Sie müssen doch ehrlich sein, mit Mexiko ist Schluß, unsere Truppen kehren heim … Und überhaupt verstehe ich Sie nicht, mein Bester. Wenn Sie wollen, daß der Papst Rom behält, warum tun Sie dann so, als tadelten Sie den eiligen Frieden von Villafranca? Venetien an Italien abzutreten bedeutet doch, daß die Italiener binnen zwei Jahren in Rom sind, das wissen Sie so gut wie ich; und Rougon weiß es auch, obwohl er auf der Rednertribüne das Gegenteil beteuert.«
»Da sehen Sie, daß er ein Schwindler ist!« rief Saccard großartig. »Wenn es jemals geschieht, daß man den Papst antastet, steht das ganze katholische Frankreich auf, ihn zu verteidigen! Wir würden ihm unser Geld bringen, ja, das ganze Geld der Banque Universelle. Ich habe meinen Plan, darin besteht unser Geschäft, und wahrhaftig, wenn Sie mich reizen, wäre ich gezwungen, Dinge zu sagen, die ich noch gar nicht sagen will!«
Jantrou hatte plötzlich sehr interessiert die Ohren gespitzt, denn er fing an zu begreifen und versuchte, aus einem nebenbei aufgeschnappten Wort seinen Nutzen zu ziehen.
»Kurz und gut«, fuhr Huret fort, »ich möchte gern wissen, wie ich mich in meinen Artikeln verhalten soll, wir müssen uns verständigen … Wollen Sie, daß wir intervenieren, oder wollen Sie es nicht? Wenn wir für das Nationalitätsprinzip sind, mit welchem Recht könnten wir uns dann in die Angelegenheiten Italiens und Deutschlands einmischen? Wollen Sie, daß wir im Namen unserer bedrohten Grenzen eine Pressekampagne gegen Bismarck führen …«
Aber Saccard, der außer sich war, sprang auf und polterte los.
»Was ich will, ist, daß Rougon mich nicht länger zum besten hält! Mir langt es jetzt, nach allem, was ich getan habe! Ich kaufe eine Zeitung, seinen schlimmsten Feind, ich mache daraus ein seiner Politik ergebenes Organ, ich lasse Sie monatelang Loblieder auf ihn singen. Und nie will uns dieser Kerl mal unter die Schulter greifen, ich warte immer noch auf eine Gefälligkeit von ihm!«
Schüchtern gab der Abgeordnete zu verstehen, daß die Unterstützung des Ministers dem Ingenieur Hamelin im Orient beträchtlich geholfen habe, indem sie ihm alle Türen öffnete und Druck auf bestimmte Persönlichkeiten ausübte.
»Lassen Sie mich doch damit in Ruhe! Er konnte nicht anders … Aber hat er, der in seiner Position alles erfährt, mir je einen Tip gegeben, wenn eine Hausse oder Baisse bevorstand? Erinnern Sie sich! Zwanzigmal habe ich Sie, der Sie ihn alle Tage sehen, beauftragt,
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