Das Gelobte Land
fragte, ob sie reinkommen dürfte, und so tat, als ob sie überall herausgeworfen worden wäre, als ob die ganze Welt ihr feindlich gesinnt sei. Ihr ganzes Leben habe sich nur darum gedreht, für die Verfehlungen anderer aufzukommen, sagte sie, saß dann fast die ganze Nacht unten in der Küche und legte der Wahrsagerin ihre Erfahrungen dar, wie schlecht der verdammte Schuft sie behandelte, wie falsch und verlogen er war, und die Kinder unehrlich und berechnend; mit kleinen Variationen kam dieses Lied immer und immer wieder, während Bóbó oben lag und ungeduldig darauf wartete, dass sie wieder verschwand. Fest entschlossen, sie keines Blickes zu würdigen, in der einzigen Hoffnung, dass die Wahrsagerin ein Taxi rufen und sie nach Hause schicken würde.
Aber am anderen Morgen war sie trotzdem noch im Haus, und nicht genug damit hatte sie es sich auch auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Lag dort völlig verweint und am Ende. Dieser Anblick begegnete dem armen Jungen, als er sich nach dem Mittagessen auf das Sofa legen wollte, wie es seine Gewohnheit war. Und am Abend lag sie noch immer an der gleichen Stelle, nicht einmal fernzusehen war möglich in diesem Heim, das natürlich keinem Heim glich, solange dieses widerliche Stück Dreck seufzend und stöhnend dort unten lag. Und auch am nächsten Tag. Und auch am übernächsten. Sie weigerte sich, ans Telefon zu gehen, wenn Grettir anrief. Ließ sich das Essen an ihr Lager bringen. Die Vorhänge wurden vorgezogen und die Fenster geschlossen, Halbdunkel im Zimmer, und nicht einmal das Radio an. Dicke Luft. Bóbó versuchte, so viel wie möglich außer Haus zu sein; während dieser Zustand anhielt, war es im Haus nicht auszuhalten. Er versuchte alles Mögliche, hing halbe und ganze Tage in den Billardsalons herum, besuchte alle, die er kannte, ging in alle Filme, die im Kino liefen, in der Hoffnung, dass das verfluchte Weibsstück verschwunden wäre, wenn er zurückkäme. Aber nein. Diese lange Bettlägerigkeit infizierte das ganze Haus mit schlechtem Geruch und negativen Schwingungen, die er schon spürte, wenn er nur die Haustür öffnete. Sie bewegte sich nie! Bóbó begann, sich vorzustellen, dass sie sich mit der Zeit wundliegen müsste; dass sie für immer ans Bett gefesselt sein würde. Sie ging nicht einmal aufs Klo! Das wurde ihm auf einmal klar, nachdem sie eine knappe Woche so gelegen hatte. Das war in dem Herbst, in dem er siebzehn wurde. Da wurde ihm die Sache etwas verdächtig. Dass das Weib nicht mal aufs Klo ging! Aber dieses Rätsel löste sich am darauffolgenden Morgen, als er seine Oma traf, wie sie gerade aus dem Wohnzimmer kam, mit einem halb vollen Nachttopf. Sie schlich damit durchs Haus,
und die beiden stießen zusammen, im ganz wörtlichen Sinne, so dass er ein paar Spritzer von dieser ekelerregenden Brühe abbekam. Es gelang ihm noch, zur Haustür hinauszustürzen, und er brauchte lange Zeit, um an die Hauswand gelehnt wieder zu Atem zu kommen. Die alte Sau hatte also einen Nachttopf unter dem Sofa! Er stürmte wieder hinein und befahl der Wahrsagerin barsch, zu einer Unterredung zu ihm zu kommen.
– Soll ich wirklich glauben, dass die dort unten im Wohnzimmer scheißt und pisst?, fragte er mit zitternder Stimme.
– Na, alle müssen mal wohin, sagte die Wahrsagerin besänftigend. Und Bóbó fühlte, dass er nicht weiter darüber sprechen konnte. Das Thema war nicht so beschaffen, dass man die Sprache darauf bringen konnte. Aber von dem Geruch im Haus war ihm die ganze nächste Woche schlecht, bis die Bettlägerige endlich wieder auf die Beine kam und verschwand.
Und diese Überfälle wurden zur jährlich wiederkehrenden Gewohnheit, manchmal sogar zweimal im Jahr, dass das Miststück kam und sich zu ein- oder zweiwöchiger Bettlägerigkeit im Wohnzimmer einfand, mit dem Nachttopf unter dem Sofa. Und dabei wurde sie immer schwächer und vergrämter, der Zustand im Haus war ein einziges Grauen; es war verdammt hart, so etwas in seinem eigenen Heim erdulden zu müssen. Und als es das fünfte Mal geschah, sagte Bóbó der Wahrsagerin, dass er nun weg sei, ausgezogen, solange es so stünde, und kam bei Manni Tótason unter, seinem Cousin und Freund, der damals gerade ein malerisches Dachzimmer in der Innenstadt angemietet hatte; Bóbó hatte vor, bei ihm zu bleiben, bis sich der Zustand zu Hause gebessert hatte. Aber er blieb nicht länger als eine Woche bei Manni, dann gerieten sie in Streit, und Bóbó kehrte in äußerst schlechter
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