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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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gehört hatte, daß eine Abteilung ihres Heeres vollständig aufgerieben worden sei; nur zwei oder drei Soldaten seien verstört zurückgekehrt und hätten nach ihren Kameraden geforscht, die nicht mehr hier waren. So ergriff er den Brief, und als seine Frau ihm erzählte, daß Mayli gesagt habe, er solle ihn einem großen Soldaten aushändigen, schlug er sie, weil sie so vergeßlich gewesen war. Mit dem Brief eilte er zu der Versammlungsstätte, wo er noch einige Händler vorfand, die miteinander von den verlorenen Soldaten sprachen. Wie aber konnten die Händler wissen, was Truppen zu tun pflegen?
    »Laßt uns zum Amerikaner gehen«, schlug der eine schließlich vor. »Er ist noch immer hier.«
    Alle stimmten darin überein, daß dies ein guter Plan sei, und so begaben sich die Händler zu dem nahen Lager, wo sie nach dem Amerikaner fragten, der sie dann recht liebenswürdig empfing.
    »Könnt Ihr uns sagen, welche Richtung die verirrten Soldaten eingeschlagen haben, um die chinesischen Truppen zu suchen?« fragten sie.
    »Nordostwärts«, erwiderte der Amerikaner. »Mehr darf ich nicht verraten.«
    Das genügte jedoch, und so verneigten sich die Händler, entfernten sich, mieteten kleine Esel, die sie bestiegen, und ritten einen halben Tag lang auf der Hauptstraße gen Nordosten. Mit den Augen suchten sie die Wege ab, und sie durchforschten die Dörfer, durch die sie kamen, bis sie nicht drei, sondern vier Männer vor sich dahingehen sahen. Da trieben sie ihre Tiere zu größerer Eile an, und als sie die vier Männer eingeholt hatten, stellten sie fest, daß es zwei Chinesen, ein Engländer und ein Inder waren, alle zerlumpt und schmutzig und müde. Einer der Chinesen aber war so groß, daß der Händler den Brief aus seiner Tasche hervorholte und ihn dem Großen mit den Worten überreichte: »Seid Ihr das?«
    Sheng blickte darauf und sah seinen eigenen Namen. »Ja, das bin ich«, erwiderte er.
    »Dann habe ich meine Pflicht getan«, sagte der Händler, drückte Sheng ein paar Geldstücke als Geschenk in die Hand und verabschiedete sich von ihm. Und alle wandten ihre Esel wieder heimwärts.
    Sheng war von Staunen erfüllt über diesen Brief, aber wer vermag zu begreifen, wie seltsam manchmal alles zugeht? Er konnte ja nicht wissen, daß er den Brief erhalten, weil Mayli eine Burmesin von einem Sohn entbunden hatte, dessen Vater ein chinesischer Händler war, dem bisher noch kein Sohn geboren worden. Er wunderte sich nur, daß ihm ein Brief von Mayli ausgehändigt wurde, und er dankte im stillen dem Himmel, daß er genügend Kenntnisse hatte, um lesen zu können, was sie geschrieben. Freilich, sie hatte die Schriftzeichen groß und deutlich hingesetzt, wissend, daß ihm das Lesen nicht so leichtfiel wie das Atmen. Er las ihren Brief dreimal, und er setzte sich unter einen indischen Feigenbaum, um ihn zu lesen; seine Begleiter ließen sich auf den armdicken Wurzeln des Baumes nieder und warteten.
    Schließlich sagte er: »Wir müssen zurück, um den Amerikaner zu suchen und ihn zu fragen, wohin die Truppen gezogen sind.«
    Er stand auf, während er dies sprach, und steckte den Brief in seinen Gürtel. Die andern erhoben sich ebenfalls mit Ausnahme des Engländers, der sitzen blieb. Als Charlie ihm erklärte, daß sie zum Amerikaner zurückkehren mußten, um ihn zu fragen, wo die Truppen seien, blickte der Engländer verlegen drein.
    »Ich will nicht zurück«, verkündete er. »Geht ihr zurück und fragt, was euch beliebt; aber ich bleibe hier sitzen und warte auf euch.«
    Darauf lachte Charlie Li, und er sagte zu den andern in seiner eigenen Sprache, die der Engländer nicht verstand: »Da dieser Mann ein Deserteur ist, mag er natürlich keinen weißen Offizier sehen.«
    So ließen sie den Engländer zurück, der ihnen nachschaute, und gingen einen halben Tag lang, bis sie zu dem Lager kamen, wo der Amerikaner und die restlichen Truppen waren, eine buntscheckige kleine Schar von Chinesen und Indern und was ihm sonst noch von den verlorenen Schlachten und Rückzügen geblieben.
    Sie fanden ihn vor seinem kleinen Zelt sitzen, in Hemd und Hose wie ein gewöhnlicher Soldat; seine grauen Haare waren strähnig von Schweiß, denn die Hitze ließ an diesem Ort weder am Tag noch in der Nacht nach. Charlie trat zu ihm und erkundigte sich, wo die chinesischen Truppen seien.
    Der Amerikaner blickte auf eine Karte und schrieb mit einem Bleistift darauf. Als er die zerlumpten Männer in der Uniform der verlorenen Abteilung vor

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