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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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keinerlei Recht habe, Ratschläge zu erteilen, da er selber keine einzige Schlacht gewonnen hatte. »Der Amerikaner gehört zu den Engländern, wie können wir ihm also vertrauen?« dachte er bitter. »Die Weißen sind gegen uns verschworen; sie haben uns in dieses feindliche Land kommen lassen und uns nicht als Gleichberechtigte anerkannt. Sollen sie beisammenbleiben, und wir wollen selbständig vorgehen, da man uns nicht als Verbündete behandelt.«
    Tag und Nacht bewegte er solche Gedanken, und er schöpfte Kraft aus seinem Zorn, sagte sich, daß er und seine Soldaten jeden Angriff des Feindes niederschlagen könnten, denn hatte er nicht den gleichen Feind in der Heimat bekämpft?
    Von den Frauen fand keine etwas zu tun außer der Arbeit, die der Alltag brachte; das genügte jedoch, denn die Sandalen der Soldaten waren durchgelaufen, und viele Leute marschierten barfuß, ihre Uniformen waren zerfetzt, sie wurden von Insekten und Skorpionen gestochen, von Spinnen und Schlangen gebissen, die es allenthalben gab; einige litten an Magenvergiftung durch schlechtes Brunnenwasser und stockige Urwaldgewässer, von denen sie tranken, weil sie nichts anderes finden konnten.
    Chung aber war beunruhigt, während er seinen ärztlichen Pflichten nachging, denn er hörte mehr von den Gerüchten, die unter den Männern umgingen, als die Frauen. Eines Abends begab er sich zu Mayli, die ihre eigene zerrissene Uniform flickte; und noch immer war sie im Besitz des Nähbeutelchens, das Liu Ma für sie angefertigt hatte.
    Er setzte sich neben sie auf den Boden und sagte mit leiser Stimme zu ihr: »Was wollen Sie tun, um sich und Ihre Frauen in Sicherheit zu bringen, wenn wir angegriffen oder gar geschlagen werden?«
    Mayli hatte oftmals darüber nachgedacht, was sie in einem solchen Fall tun würde, denn sie wußte, daß ihre Frauen auf sie blicken würden; und so antwortete sie jetzt: »Wir wollen wenn möglich bei der Truppe bleiben, doch wenn das nicht möglich ist, dann werden wir in den Dschungel eilen und uns dort verbergen – was können wir anderes tun?«
    »Ich möchte Ihnen ein Geschenklein geben«, sagte Chung und holte aus seiner Tasche einen kleinen Kompaß. »Nehmen Sie das, damit Sie wissen, wie Sie vom Feinde fort nach Westen gehen müssen.«
    Sie nahm den Kompaß entgegen und steckte ihn in die Tasche. »Ich danke Ihnen«, sagte sie und fuhr fort zu nähen.
    Während er ihr Gesicht betrachtete, dachte er, wie wenig sie noch dem schönen, sorglosen, ungestümen Mädchen glich, als das er sie kennengelernt hatte. Jetzt war sie mager und sehnig wie eine Bäuerin; in die schwarzen Haare hatte die Sonne bräunliche Streifen gebrannt, Gesicht und Arme waren braun, die Lippen weniger voll und sehr fest, und ihre Augen blickten nachdenklich. Ihre Hände waren zerschunden, die Nägel abgebrochen, denn es gab keine noch so harte Arbeit, der sie nicht nachkam. Auch ihr Gehaben hatte sich geändert. In diesen Tagen blieb keine Zeit zum Schöntun und Lächeln, und wirklich lächelte sie nur selten.
    Sie fühlte seinen Blick, schaute auf und sah ihm gerade in die Augen. Aber sie sprach nicht, noch öffnete er den Mund, denn was gab es über heute oder morgen zu sagen, das zu sagen gut wäre? Er stand auf, nickte ihr zu und ging fort, ahnungslos, daß er diese Frau, die er gelehrt hatte, sich auf ihn als Kameraden und als Mann zu stützen, nie wiedersehen würde.
    Am nächsten Morgen kamen aus der scheinbar so friedlichen Landschaft die Gegner und überfielen sie. Die Männer, die sich als erste erhoben, sahen im Süden am Horizont eine Wolke, aber war es eine Wolke? Vor Sonnenaufgang war es hier oftmals wolkig, und wenn eine Wolke eine etwas gelbere Farbe zeigte als die andern, so bedeutete das in diesem fremden Land nichts Sonderbares.
    Diese Wolke aber stammte vom Staub der Wagen und Fahrzeuge, welche die feindlichen Truppen brachten. Über und hinter ihnen waren Flugzeuge, und diese Flugzeuge donnerten plötzlich vom Himmel herab.
    »Wehe – wehe!« schrien sie und rannten hin und her, um sich zur Flucht vorzubereiten.
    Der General hatte nicht geschlafen; als er den Aufruhr hörte, sprang er von seinem Strohsack auf und lief aus dem Zelt. In diesem Augenblick glitt ein kleines feindliches Flugzeug nieder und feuerte aus seinen beiden Maschinengewehren. Der General wurde in die Schultern getroffen und sank zu Boden. Es blieb ihm keine Zeit, Furcht zu empfinden; denn in dieser einen Sekunde war sein Leben vorbei.
    Wenige nur

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