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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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ihrem Halstuch, und Liu Ma nahm ihre Schürze.
    Sheng setzte die Stange ab. »Wenn das Kind tot ist, so könnt Ihr sicher sein, daß auch alle andern in Eurem Haus tot sind«, sagte er. »Ihr allein seid durch einen Beschluß des Himmels verschont geblieben. Kommt mit mir. Ich will Euch ein Gewehr geben, daß Ihr Rache üben könnt.«
    Der Mann vermochte ohne weiteres zu sehen, daß Sheng Soldat und Führer von Soldaten war; so drehte er sich blindlings um, während ihm die Tränen noch immer über die Wangen liefen, und machte Miene, Sheng zu folgen, das tote Kind im Arm, das wie in einem Bett lag.
    »Laßt das Kind zurück«, gebot Sheng.
    Aber der junge Mann blickte mit kläglicher Miene von einem Antlitz zum anderen. »Ich kann diejenigen zurücklassen, die unter dem Haus begraben sind«, sagte er. »Doch wie kann ich mein Söhnchen niederlegen? Die Hunde würden es fressen.«
    »Gebt es mir«, bat Mayli. »Ich will ihm einen Sarg kaufen, und ich werde statt Eurer dafür sorgen, daß es beerdigt wird.«
    »Gut«, sagte Sheng, dessen Augen bei ihren Worten mit warmem Blick auf ihr geruht hatten. So reichte ihr der Mann seinen toten Knaben, und Mayli nahm das Kind in ihr Arme. Zum erstenmal in ihrem Leben hielt sie ein Kind so nahe an sich. Durch irgendeinen sonderbaren Zufall war dieses Mädchen niemals einem Kind nahe gekommen. Allein war sie in ihres Vaters Haus aufgewachsen, in einem fremden Land, wo sie keine Vettern und keine Vettersvettern gehabt hatte. Das kleine Geschöpf ruhte so hilflos in ihren Armen, daß ihr das Herz in der Brust schwoll, und sie fand keine Worte, konnte nicht sprechen. Sie konnte nur Sheng anschauen.
    Über das tote Kind hinweg blickten sie einander an, und obwohl keines von ihnen den Knaben jemals lebend gesehen hatte, stimmte sein Tod sie plötzlich zärtlich zueinander.
    »Ich komme so bald wie möglich zu dir«, sagte Sheng.
    »Ich erwarte dich«, erwiderte Mayli. Es war nur eine höfliche Redensart, wie man sie einem Besucher gegenüber anzuwenden pflegt, aber Mayli ließ auch ihre Augen sprechen.
    So verstand er sie, und er ging seines Weges, gefolgt von dem Mann, und sie ging ihres Weges.
    »Laß mich die Last tragen«, sagte Liu Ma.
    Aber Mayli schüttelte den Kopf. »Ich bin jünger als du«, entgegnete sie, »und ich bin stärker.«
    Sie trug das Kind heim, und sie fand das Haus vor, wie sie es verlassen, obwohl an der Südseite zehn nebeneinanderstehende Häuser eingestürzt waren und überall eine Staubwolke hing. Im Hof stand zitternd und wartend ihr kleiner Hund; als sie hereinkam, roch er das tote Kind, hob den Kopf und winselte. Sie aber ging wortlos weiter und legte das Kind auf ihr eigenes Bett.
    Es war ein schöner kleiner Knabe, ungefähr drei Jahre alt, mit einem runden, glatten Gesichtchen. Soweit das Auge zu erkennen vermochte, trug er keinerlei Verletzung an sich, und sie nahm das rundliche Händchen, weil sie meinte, daß vielleicht doch noch Leben in ihm sei. Aber nein, sie konnte fühlen, daß die Leichenstarre bereits in den zarten, mit Grübchen versehenen Fingern begonnen hatte. So legte sie das Händchen wieder nieder, und sie saß eine Weile da, unfähig, die Augen von dem Kind abzuwenden, welches sie niemals lebend gesehen hatte. Zum erstenmal ging ihr auf, was dieser Krieg war und was es in der Welt bedeutete, wenn ein Kind ermordet worden und niemand dem Mörder Einhalt gebieten konnte. Zorn wuchs in ihr empor wie Unkraut.
    »Ich wünschte, ich könnte meine Hände ausstrecken und die Kehle eines Feindes fühlen«, murmelte sie.
    In diesem Augenblick schob Liu Ma den rotseidenen Türvorhang beiseite und spähte hinein, weil drinnen alles so still war. Da sah sie ihre junge Herrin am Bett sitzen und das Kind betrachten.
    »Soll ich den Sarg kaufen gehen?« fragte sie.
    »Ja«, antwortete Mayli.
    »Aber wo sollen wir das Grab machen?«
    »Wir wollen einen Flecken außerhalb der Stadt suchen«, versetzte Mayli. »Ein Bauer wird mir sicherlich irgendwo ein Stückchen Boden für den Leichnam eines Kindes verkaufen.«
    »Es wird genügen, den Platz zu mieten«, meinte Liu Ma. »Eine Kinderleiche ist bald verwest, und dieses Kind ist nicht einmal deines eigenen Blutes.«
    »Jedes Kind, das der Feind tötet, ist meines eigenen Blutes!« rief Mayli mit solcher Leidenschaft, daß die Alte sich rasch hinter dem Vorhang verbarg und sich entfernte.
    Nach einer Weile stand Mayli auf und zog die Vorhänge rings um das Bett zu. Dann ging sie in den Hof hinaus und

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