Das Geloebnis
Sie lachte hell bei diesen Worten. »Auf mich will er nicht immer hören«, fuhr sie fort und verzog den hübschen Mund in gespieltem Schmollen. »Oh, wie nachteilig ist es heutzutage, eine Frau zu sein! Finden Sie das nicht auch?«
Sie sah so lieblich aus, daß auch Mayli lachen mußte. »Ich weiß wirklich nicht, wieso es für Sie nachteilig ist, eine Frau zu sein«, versetzte sie.
»O doch«, widersprach die hohe Dame rasch. »Sie können sich das nicht vorstellen. Es treibt mich, dies und jenes zu tun – alles und jedes –, ich sehe so vieles, das getan werden müßte; aber früher oder später kommt es dann. Der Präsident sagt: ›Vergiß bitte nicht, daß du eine Frau bist.‹«
Sie lachte wieder, ein mutwilliges, reizendes, lebhaftes Lachen. Zum erstenmal in ihrem Leben verspürte Mayli kein Verlangen zu reden, sondern nur zuzuhören und zu beobachten, wie Heiterkeit und Ernsthaftigkeit gleich Licht und Schatten über dieses bezaubernde Antlitz spielten.
Dann plötzlich verstummte die hohe Dame. Sie vernahmen Schritte. Die hohe Dame erhob sich. »Das ist er«, sagte sie. Auch Mayli erhob sich, und so standen sie beide da, als die Tür sich öffnete und der Präsident das Zimmer betrat, ohne daß ein Wachtmann oder ein Diener ihn ankündigte.
Er hatte eine schlanke Gestalt und wirkte größer, als er war. Er hatte die Haltung eines Soldaten und ein Gesicht, wie Mayli es nie zuvor gesehen. Zuerst nahm sie die Augen wahr. Sie schossen ihre Strahlen geradewegs auf sie ab, und sie hatte das Gefühl, daß der klare Blick dieser Augen wie zwei blitzende Klingen durch ihr Hirn ging. Und doch war es ihr, als sähe er sie gar nicht, sondern nur das, was sie dachte. Daß sie eine junge, schöne Frau war, bedeutete nichts. Was sie dachte, fiel ins Gewicht.
»Das ist Mr. Weis Tochter Mayli«, sagte die hohe Dame zu ihm. »Du erinnerst dich doch, daß ich dir von ihrer Mutter erzählte?«
Der Präsident trat näher. »Ich erinnere mich«, erwiderte er. Jetzt war sein Gesicht freundlich, und er ergriff ihre Rechte. Seine Hand war hart und mager und kräftig, nervig wie sein Gesicht und sein Körper. Aber sie schien stählern, keine Menschenhand, und Mayli fühlte ihr eigenes weiches, warmes Fleisch bei der Berührung mit dem Stahl. Auch seine Stimme schien nicht wie die eines Menschen. Sie hatte einen hohen, dünnen Ton, der ebenfalls stählern war, und sie klang, als käme sie von weit her aus dem Manne.
Er wandte sich an seine Gattin. »Wir sollten frühstücken«, sagte er. »Die Generale warten auf ihre Befehle. Sie müssen gleich wieder an ihre Posten zurückkehren.« Sie ließen sich an einem kleinen Tisch nieder; das Frühstück war halb fremdländisch, halb chinesisch. Die hohe Dame trank Kaffee und aß Brot und Eier; ihr Mann aß Reis und eingesalzene Speisen. Das war bezeichnend für den Unterschied zwischen den beiden. Der Mann war von seiner eigenen Zeit, seinem eigenen Land und Volk; die Frau war sie selbst, ein Geschöpf, das mal in der einen, mal in der anderen Sprache redete, Englisch ebenso beherrschte wie Chinesisch und das seine Gedanken jetzt aus der einen Seite der Welt bezog und dann wieder aus der anderen. Ihr Denken flog von Land zu Land, und sie schien aus allen zu bestehen. Der Mann aber war Chinese; er sprach auch nur chinesisch, und wenn sie sich mitunter allzulange der englischen Sprache bediente, fiel er in Schweigen, als hätte er sie vergessen. Dann begann die Frau, die ihn stets sah – alles, was er tat, und wie er dreinblickte –, schnell wieder chinesisch zu sprechen, und wenn er teilnahmslos blieb, mahnte sie ihn durch eine Berührung oder eine Frage.
Er sprach sehr wenig, und sie sprach sehr viel. Sie richtete viele Fragen an Mayli und wartete dann nicht auf die Antworten. Und doch schien sie die Antworten aus der Luft zu pflücken. Zwei oder drei Worte genügten, um sie alles verstehen zu lassen.
»Dachten die Amerikaner, daß der Feind sie angreifen würde?« fragte sie; und als Mayli zur Antwort ansetzte, erwiderte sie rasch selbst: »Natürlich denken die Amerikaner niemals etwas. Sie sind viel zu beschäftigt.« Sie runzelte die Brauen und biß mit ihren weißen Zähnen ein Stück Brot ab. »Ich brauche Geld für meine Kriegswaisen. Ich habe nicht genug. Und es ist absurd, daß wir nicht mehr Flugzeuge haben. Ich sagte es dem Präsidenten …«
Er schaute auf; sein Antlitz war einen Augenblick lang milde und freundlich. »Die Flugzeuge sind uns versprochen
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