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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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sorgen. Ich will mich ihrer Ernährung und ihres Obdachs annehmen, will darauf achten, daß sie erhalten, was sie brauchen, und ich will in der Nacht bei ihnen bleiben und in dem fremden Land für ihren Schutz Sorge tragen.«
    »Ja, das könnten Sie tun«, sagte die hohe Dame abermals.
    »Und wo ich auch sein mag«, fuhr Mayli rasch fort, »da will ich alles beobachten und Ihnen über alles Bericht erstatten. Ich will Ihre Augen und Ihre Ohren sein.«
    »Ja, Sie könnten meine Augen und meine Ohren sein.«
    Die hohe Dame saß eine Weile nachdenklich da. Das Sonnenlicht, das durchs Fenster hereinfiel, traf den klaren, grünen Jade ihres Ringes und ließ ihn aufblitzen. Es war ein fabelhafter Jadestein, mit dessen Erlös sie alle ihre Waisenkinder viele Tage hätte ernähren können, und doch war er ein Teil dieser Frau und nicht verkäuflich. Denn darin lag die Stärke der Frau, daß Schönheit zu ihr gehörte. Jeder, der sie kannte, hätte aufgeschrien, wenn irgendein Teil ihrer Schönheit verkauft worden wäre; denn es gibt eine Schönheit, die notwendiger ist als das Leben eines anderen Geschöpfes. Und Mayli, die solche Schönheit gewahrte, fühlte Verehrung in sich aufquellen gleich der Ergebenheit dem Himmel selber gegenüber.
    Die hohe Dame blickte auf, als ob diese Wärme ihr eigenes Herz getroffen hätte, und sagte: »Ich kann Ihnen vertrauen, und Sie sollen gehen. Verlassen Sie mich jetzt; ich will alles für Ihre Reise vorbereiten.«

6
    Mayli sah die beiden nicht wieder. Sie kehrte in ihr Hotel zurück, und nachdem sie einen Tag gewartet hatte, erhielt sie einen Brief von der hohen Dame, in dem stand: »Was wir planten, ist getan. Heute nacht steht ein Flugzeug bereit, das Sie nach Kunming zurückbringen wird. Ich hoffe, daß Ihre Mutter herniedersieht und Ihr Vorhaben gutheißt.«
    Den ganzen Tag verließ Mayli ihr Zimmer nicht; sie schlief, erwachte, um zu essen, und schlief weiter. Als sie dann gegen Mitternacht neben einem kleinen, einsamen Flugzeug stand, fühlte sie sich erfrischt und bereit für alles Kommende.
    Im Flugzeug befand sich noch ein Fahrgast. Es war ein Offizier mit einer ihr unbekannten Uniform, ein junger Mann mit breitem, offenem Gesicht. Er redete sie beim Namen an, als er grüßte, woraufhin ihr klar wurde, daß man ihm erzählt hatte, wer sie war. Aber dann sprach er nicht mehr. Er hüllte sich in seinen Umhang, und schweigend ging die Rückfahrt vonstatten.
    Als sie am nächsten Tag ihr Häuschen betrat, fand sie nur friedliche Stille vor. Nach der schnellen Reise, nach dem aufregenden Besuch war diese Stätte so ruhig, daß sie fast unwirklich schien. Der Bambus im Hof rührte sich nicht, und der kleine Teich lag klar und reglos unter dem blauen Himmel des schönen Tages. Doch als sie sich ihrer Tür näherte, hörte das Hündchen sie, und es begann wild zu bellen vor Freude, daß sie zurückgekehrt war. Augenblicklich kam Liu Ma aus der Küche, ihre Reisschale in der Hand. Sie aß gerade, und sie war nicht darauf gefaßt, ihre junge Herrin vor sich zu sehen.
    »Du bist gekommen!« schrie sie, setzte ihre Schale ab und sputete sich, Tee und Essen herbeizuschaffen. Im Nu war das Haus nicht mehr ruhig; alle lärmten, der Hund und Liu Ma und auch Mayli, die sich reich und glücklich fühlte, so daß sie sich nicht zurückhalten konnte, zu singen und Liu Ma zuzurufen. Sie machte der Alten gegenüber kein Geheimnis aus ihrer Wißbegierde zu erfahren, ob Sheng während ihrer Abwesenheit gekommen sei.
    »Hat der große Soldat dich geplagt, während ich fort war?« rief sie Liu Ma zu, die sich in der Küche befand.
    »Etwa nicht?« schrie Liu Ma zurück. »Du tust mir leid, junge Herrin!«
    »Warum?« fragte Mayli. Sie hatte ihre Porzellanschüssel mit heißem Wasser ans Feuer gestellt, und da stand sie nun und wusch sich; der Dampf stieg von ihrer lieblichen Haut auf, ihre Lippen waren rot.
    »Er ist wie ein Tiger«, rief Liu Ma. »Er brüllte Nord und Süd, Ost und West zusammen, weil er nicht wußte, wo du warst.«
    »Und du konntest ihm keine Auskunft geben!« schrie Mayli vergnügt.
    »Gar, gar, gar keine!« kicherte die Alte und hustete im Rauch hinter dem Herd. Jetzt, da ihre junge Herrin zurückgekehrt war, fühlte sie sich wieder beschwingt und belebt; sie überhastete sich, ließ dieses und jenes fallen, zerbrach ein Ei auf dem Fußboden, rief den Hund zu sich, damit er es aufleckte, und versuchte vielerlei auf einmal zu machen.
    Mayli aber hatte sich noch nie zuvor so

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