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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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der offenen Fensterscheibe, die ihm als Spiegel diente, glättete seine Haare und stand auf, als er ihre Schritte hörte. Sie kam rasch herein, ohne zu ahnen, daß sie in Gang, Haltung und Lächeln unbewußt die hohe Dame nachahmte.
    Er verbeugte sich bei ihrem Eintritt, aber sie hielt ihm mit der fremdländischen Gebärde, die ihr natürlich war, die Hand hin. Er zögerte; dann streckte auch er seine Rechte aus und berührte die ihre flüchtig. Sie lachte über diesen kühlen Gruß.
    »Ich vergesse immer, daß uns das Händeschütteln nicht natürlich ist«, erklärte sie unumwunden. »Ich war zu lange von der Heimat fort.«
    »Setzt Euch«, forderte er sie auf und ließ sich auch selber nieder.
    Der Geruch ihres Parfüms stieg ihm in die Nase, und er sog ihn tief ein. Seine Gattin war eine gute Frau; er liebte sie, und sie hatte ihm zwei Söhne geboren, aber seine Eltern hatten sie ausgesucht, und diese Tatsache vergaß er nie. Jetzt schaute er mit unbestimmtem Verlangen auf das frische, schöne Antlitz. Mayli hatte sich gesetzt und ihr Cape abgeworfen; sie stützte die Arme auf den Tisch und sah den General offen an. Dieser offene Blick schüchterte ihn ein, gleichwohl erfreute er sich daran. »Diese modernen Frauen können vielleicht für einen Mann sehr lästig sein«, dachte er, »aber sie haben doch ihren Reiz.« Er trug kein Verlangen, eine von ihnen zu heiraten. Ein Mann wünschte nicht soviel Reiz bei einer Frau. Aber wenn man keine Verantwortung für ihre Taten oder Worte hatte, bereitete es Vergnügen, eine dieser Frauen so lange zu betrachten, wie er es nun tat.
    »Ich komme immer, um Eure Hilfe zu erbitten«, sagte Mayli schmeichlerisch. Niemals verhielt sie sich Sheng gegenüber schmeichlerisch. Mit Sheng war sie unbarmherzig, sie neckte ihn und sprach ihre Meinung aus. Ihr Instinkt aber riet ihr, den General niemals denken zu lassen, daß sie sich ihm ebenbürtig fühlte.
    »Es macht mir immer Freude, Euch zu helfen«, antwortete er lächelnd.
    »Habt Ihr schon die Liste der Pflegerinnen eingesehen, die mit den drei Divisionen nach Burma gehen werden?« fragte sie.
    »Nein, noch nicht. Ich hatte zuviel anderes zu tun.«
    »Dann ist es nicht zu spät.« Sie lehnte sich ein wenig vor. »Ihr wißt ja, daß ich die Allerhöchsten aufsuchen wollte«, fuhr sie mit leiser Stimme fort. »Haben sie von mir gesprochen?«
    »Die hohe Dame habe ich nicht gesehen«, gab er zurück. »Und mit dem Präsidenten habe ich nur über militärische Fragen geredet.«
    »Die hohe Dame hat mich zur Betreuerin der Pflegerinnen ernannt«, verkündete Mayli.
    Der General lächelte. »Die hohe Dame tut, was ihr beliebt. Aber seid Ihr für solch eine Aufgabe nicht zu jung?«
    Mayli lächelte ein sehr mutwilliges Lächeln. »Ich bin jung, doch auch sehr kräftig«, entgegnete sie. »Ich kann meilenweit laufen, kann Hitze ertragen und essen, was es nur Eßbares gibt.«
    »Ein guter Soldat«, lobte er. »Nun, und was sonst? Euer Posten untersteht nicht meinem Kommando, müßt Ihr wissen. Ihr habt Euch bei einem anderen Vorgesetzten zu melden.« Er begann in seinen Papieren zu kramen, fand schließlich das Gesuchte und las den Namen ab: »Pao Chen ist Euer Vorgesetzter.«
    Sie merkte sich den Namen sorgfältig. »Pao Chen«, wiederholte sie. »Aber nicht deshalb bin ich zu Euch gekommen«, sagte sie.
    Er lehnte sich zurück und blickte sie an, noch immer lächelnd. »Wann werdet Ihr mir sagen, warum Ihr zu mir gekommen seid?« fragte er. »Seht Euch diese Papiere auf meinem Schreibtisch an! Aus jedem muß ein Aktenstück gemacht werden. Und wie wenige Tage bleiben uns nur noch! Es hat schon zu viele Verzögerungen gegeben.«
    »Ich will rasch sprechen«, versetzte sie. »Es läßt sich in Kürze sagen, und doch ist es schwer für mich. Es ist dies: Bitte verratet niemandem, daß ich mitkomme.«
    Jetzt, da sie ihr Ersuchen vorbringen sollte, war es ihr unmöglich, Shengs Namen zu nennen. Sie errötete über und über und blinzelte mit ihren lang bewimperten Augen, als der General sie anschaute.
    »Warum soll Euer Name geheimgehalten werden?« erkundigte er sich verwundert.
    Da sie keinen Grund anzugeben wußte, erwiderte sie tapfer: »Der junge Kommandant … der, den Ihr kürzlich befördert habt … von dem ich Euch erzählte …«
    »Ling Sheng«, fiel er ein.
    »Ja, das ist er. Ich möchte nicht, daß er etwas von meinem Mitkommen erfährt.«
    »Ah«, sagte er.
    »Er trägt sich meinetwegen mit dummen Gedanken«, fuhr sie fort,

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