Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
Vom Netzwerk:
freudvoll gefühlt. In ihrem ganzen Leben würde sie die Allerhöchsten nicht vergessen, vor allem nicht die hohe Dame, deren Augen und Ohren sie nun sein sollte. Keine Tätigkeit auf der Welt hätte ihr mehr Vergnügen bereiten können, und sie wußte, daß sie ihre Sache gut machen würde; sie hatte starkes Selbstvertrauen. Sie aß nach Herzenslust Reis und Eier und Fische, ihre Hand riß Stücke von dem braungebackenen Sesambrot ab, und ihre weißen, scharfen Zähne zerkleinerten den Sesamsamen; dazwischen warf sie dem Hündchen Bissen zu, und die ganze Zeit schwang sich ihr Geist über die weiten Landstrecken und Berge zum Schlachtfeld.
    »Bestimmt haben wir Erfolg«, träumte sie. »Der Feind wird von unseren Leuten aufgehalten werden, und alle Völker erkennen dann, daß wir tapfer sind und die Gegner aufgehalten haben. Wenn unsere Verbündeten unsern Erfolg sehen, werden sie uns dafür ehren und ihre Versprechen einlösen.«
    So bewegten sich ihre großartigen Gedanken weiter, sprangen von Grat zu Grat in den Bergen, linderten die Mühsale des Schlachtfelds und führten die Soldaten zum Sieg. Und würde unter diesen Soldaten nicht Sheng der tapferste und beste aller jungen Führer sein? Konnten sie und Sheng nicht eines Tages zusammen wie die Allerhöchsten sein? Dann aber lachte sie sich selber aus, denn sie war von Natur keine Träumerin, und zog das Hündchen an den Ohren.
    »Du wirst krank werden, wenn du noch mehr Brot ißt, du Maus«, sagte sie.
    Sie erhob sich, schritt ruhelos im Hof auf und ab und überlegte, ob sie Sheng davon in Kenntnis setzen sollte, daß sie mitging, oder ob sie es ihn selber herausfinden lassen sollte. Nahezu eine Stunde konnte sie zu keinem Entschluß kommen. Ein Vergnügen wäre es, ihm die Neuigkeit mitzuteilen, denn wie konnte er verbieten, was die hohe Dame angeordnet hatte? Ihre Mutwilligkeit indes ließ sie hellauf lachen bei dem Gedanken an sein Gesicht, wenn er sie zum erstenmal auf dem Marsch mit ihm sah. Zweifellos wurden die Pflegerinnen in Lastwagen mitgenommen, soweit diese Fahrzeuge nur vorzudringen vermochten; sie stellte sich vor, wie sie an ihm vorbeifuhr, und sie stellte sich seine Miene vor, wenn er sie erblickte. Das verlockte sie so sehr, daß sie beschloß, ihm nichts zu verraten. Nein, und sie wollte ihm nicht einmal mitteilen, daß sie heimgekehrt war.
    Dann erinnerte sie sich des Generals. Sie wußte, daß er vor ihr zurückgekommen war, denn der Präsident hatte ja gesagt, daß die Generale nach der Besprechung sich gleich wieder an ihre Posten begeben mußten, um den Feldzug vorzubereiten. Würde er nicht sofort mit Sheng sprechen, wenn er ihren Namen auf der Liste sah? Deshalb mußte sie ihn unverzüglich in seinem Standquartier aufsuchen und ihn bitten, ihr Geheimnis zu wahren.
    Kaum war ihr dies in den Sinn gekommen, so ging sie schon an die Ausführung des Gedankens. Sie kämmte sich die Haare, steckte rote Beeren in den Nackenknoten, zog ihr rotwollenes Kleid und ihr langes schwarzes Cape an, rieb Parfüm auf Wangen und Handflächen und war zum Aufbruch bereit.
    »Wohin gehst du schon wieder?« rief Liu Ma ihr durchs Küchenfenster zu.
    »Ich habe etwas zu erledigen«, versetzte Mayli. »Wenn der große Soldat kommt, während ich weg bin, darfst du ihm nicht sagen, daß ich zurückgekehrt bin.«
    Dies tröstete Liu Ma, die es für das größte Unglück gehalten hätte, wenn ihre Herrin ausgegangen wäre, um einen Mann in seinen eigenen vier Wänden aufzusuchen. Liu Ma verkündete oftmals, daß eine Frau, die einmal über eine zerbrochene Mauer gestiegen sei, einen Weg daraus machen würde, und damit meinte sie, daß Frauen von Mauern umgeben sein müßten, da sie sonst überallhin gehen und nicht mehr auf Anstand achten würden.
    Mayli nahm eine Rikscha und ließ sich zum Standquartier des Generals fahren. Sie dachte: »Wenn ich Pech habe, ist Sheng gerade dort.« Aber sie sah ihn nicht. Der Torwächter trug die Karte, die sie ihm gegeben hatte, hinein, und der General, der tags zuvor zurückgekehrt war, befahl, Mayli hereinzuführen. Er war allein, und er begrüßte den Gedanken, ihre Gesellschaft genießen zu können. Obwohl er außer seiner Gattin niemals ein Weib mit begehrlichen Blicken betrachtet hätte, fand er doch Geschmack daran, mit hübschen, jungen Frauen zu plaudern, zumal er sich seiner selbst sicher fühlte.
    Er legte die Generalstabskarten beiseite, die er gerade betrachtet hatte, rückte seinen Kragen zurecht, musterte sich in

Weitere Kostenlose Bücher