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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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schon fortgezogen, und hatte er sich deshalb nicht mehr sehen lassen? Wer aber konnte eine Frage beantworten, die ihr Herz stellte? Sie saß schweigend da, die Augen auf das runde, gütige Gesicht des Arztes geheftet.
    »Wir sind nicht einmal sicher, wohin wir geschickt werden«, sagte er. »Manche behaupten, daß wir nach Indochina gehen. Andere erklären, daß wir uns zu den Weißen in Burma gesellen sollen. Wieder andere meinen, daß beides der Fall sein wird. Wir werden es erst wissen, wenn unsere Füße ihren Weg beginnen.«
    Ihr Herz schrie abermals eine Frage: Was, wenn wir den einen Weg gehen und Sheng den andern?
    Aber wer vermochte eine Frage des Herzens zu beantworten? Sie konnte sie nicht laut aussprechen, und nach einer Weile erhob sie sich.
    »Deshalb müssen Sie jeden Augenblick zum Aufbruch bereit sein«, sagte der Arzt.
    »Ich bin bereit«, gab sie zurück.

7
    Dann schmähte sie sich. In solcher Zeit wie diese, wo der Feind das Dasein einer Nation bedrohte, wo die Schlagader der Großen Straße nach Burma nahe daran war, durchschnitten zu werden, welches Recht hatte sie in solcher Zeit, an sich selber oder an das, was ihr Herz rief, zu denken? Dies war keine Zeit für Liebe. Oft hatte sie das zu Sheng gesagt, ohne es eigentlich zu glauben. Jetzt aber, angesichts dieser ernsten Männer, die für das Leben vieler anderer Pläne machten, glaubte sie daran. Einen Augenblick fürchtete sie sich. Hatte sie wirklich so viel Kraft und Mut, um Verwundete und Tote zu sehen, um auf alle mögliche Weise kilometerweit über rauhe Straßen und wegloses Land und durch Urwald zu reisen? Aber zur Umkehr war es nun zu spät. Und konnte sie das untätige Warten ertragen, wenn sie umkehrte? Es schien ihr, als würde die ganze Stadt leer sein, wenn Sheng fortzog und sie allein zurückblieb. Ob sie ihn traf oder nicht, es würde immerhin etwas bedeuten zu wissen, daß sie ebenso wie er gen Westen zog und daß sie gemeinsam am Angriff gegen den Feind teilnahmen.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie Dr. Chung.
    »Ich möchte Sie bitten, jeden Tag in mein Büro zu kommen«, antwortete er. »Dann können Sie mir helfen, die Frachtkisten zu packen, die wir mitnehmen wollen. Es wird nichts anderes geben, außer was wir mit uns führen.«
    »Ich komme morgen früh«, sagte sie.
    Und so ging sie jeden Morgen dorthin, elf Tage lang, und kam jeden Abend spät heim, elf Nächte lang. Liu Ma gegenüber erwähnte sie Sheng nicht, nur an einem einzigen Tag, als die Alte sich wieder einmal wunderte, wo er sein mochte.
    »Der große Soldat – wo kann er nur sein?« fragte Liu Ma.
    »Zweifellos hat man ihn nach Indochina geschickt«, erwiderte Mayli ruhig. »Viele sind dorthin gesandt worden.«
    Sie fühlte Liu Mas Augen scharf und neugierig auf sich ruhen, während die Alte sich mit Staubwischen beschäftigte, aber sie blieb ruhig. Etwas an dieser Ruhe hielt Liu Mas Zunge im Zaum, und von da ab sprach auch sie nie mehr von Sheng.
    Ihr ganzes Leben ordnete sich jetzt in das Gefüge, welches es in vielen kommenden Monaten beherrschen sollte. Sie stand frühzeitig am Morgen auf, bereit für des Tages Arbeit. Nie zuvor hatte sie jeden Tag Arbeit gehabt, doch jetzt waren die Stunden von früh bis spät ausgefüllt. Nach dem Frühstück zog sie ein dunkles seidengefüttertes Kleid an und ging zwei Kilometer weit zu dem Haus, wo die Lazarettbestände aufgespeichert wurden. Wie früh sie dort auch ankommen mochte, der Arzt war immer schon vor ihr da. Seine steifen Haare waren aus dem runden gütigen Gesicht in die Höhe gebürstet; seine von der Kälte geröteten Hände machten Pakete, wenn niemand so früh kam wie er. Aber bald war der große Raum, in dem Gestelle und Papier vorherrschten, voll von Männern und Frauen, Pflegerinnen, Soldaten, Beamten, die Listen aufsetzten, Medikamente in Ölpapier und Wachstuch einpackten und Kisten zunagelten. Am einen Ende des Zimmers begannen die Kisten zu einem mächtigen Haufen anzuwachsen. Bei jeder mußte das Gewicht geprüft werden, denn keine durfte schwerer sein, als eines Mannes Rücken zu tragen vermochte.
    Am ersten Tag hatte Chung Mayli angewiesen, die Sachen zu prüfen, welche die Pflegerinnen benutzen mußten, und er hatte ihr eine Liste in die Hand gedrückt.
    »Kontrollieren Sie bitte«, hatte er gesagt. »Wenn irgend etwas fehlt, ersetzen Sie es.«
    Er sprach immer nur englisch mit ihr, denn seine eigene Sprache war eine Mundart eines entfernten Gebiets, das weit in der Tiefe der

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