Das Geloebnis
Provinz Fukien lag. Das Englische indes war ihm ganz geläufig, weil er mehr Jahre auswärts als in seiner eigenen Heimat verbracht hatte, und Französisch und Deutsch gingen ihm ebenso rasch von der Zunge wie Englisch. Doch seine untersetzte, kleine Gestalt sah eigentlich recht gewöhnlich aus. Nur seine Hände waren die feinen Hände des Arztes. Damals wußte Mayli noch nicht genug, um seine Hände zu schützen. Aber später, als sie so oft gesehen hatte, wie sie die zarten Fäden eines Menschenlebens aufspürten, da lief sie herbei, um sie zu retten, wenn sie einen groben oder schweren Gegenstand berührten, damit ihre lebenerhaltende Feinheit nicht Schaden nähme.
Er schonte sich nie, dieser Arzt. Sie sah ihn sich bücken und eine Kiste lüpfen, als ob er ein Kuli wäre; dann lud er sie sich auf den Rücken, um zu prüfen, ob die Kanten auch nicht zu sehr drückten. Er klopfte Nägel gerade und sammelte die Scherben zerbrochener Flaschen auf, wobei er sich häufig selber schnitt. Während sie tagein, tagaus in einem Winkel des langen Raumes Listen und Waren prüfte, war er überall – freundlich, ruhig und emsig.
Allmählich ordneten sich die Massen von Waren und Menschen. Mayli gelangte dahin, daß sie ihre einzelnen Pflegerinnen unterschied. Es waren mehrere Dutzend, darunter einige dumme und langsame. Aber alle gingen freudig mit, und alle wußten, daß ihre Aufgabe wichtig war. Vier von ihnen lernte Mayli bald näher kennen, weil sie stets an ihrer Seite waren, bereit, ihre Anordnungen entgegenzunehmen. Eine davon war Han Siu-chen, eine Studentin, deren Familie bei der Zerstörung von Nanking das Leben eingebüßt hatte; nur sie war davongekommen, weil sie sich gerade in einer Inlandschule aufhielt. Sie hatte ein rundes Gesicht, war trotz ihres Kummers ein fröhliches Mädchen, doch hegte sie einen tiefen Haß auf den Feind, und es trieb sie, sich an dem Rachewerk zu beteiligen. Ihre rundlichen Hände mit den zugespitzten Fingern trugen dauernd Frostbeulen, denn sie hatte eine zarte rosige Haut; so kam es auch, daß ihre Lippen sehr rot waren und das Blut durch ihre Wangen schimmerte. Durch diese Hände wurde Maylis Aufmerksamkeit zum erstenmal auf das Mädchen gelenkt; sie hatte ihm befohlen, einige Verbandstoffe zusammenzufalten, und sie bemerkte Blutflecken auf dem Gewebe. »Wessen Blut ist das?« fragte sie.
Darauf wies das Mädchen ihr mit beschämtem Gesicht seine hübschen Hände vor, die aufgesprungen waren und bluteten.
»Kommt, ich will sie Euch einreiben und verbinden«, sagte Mayli. »Was könnt Ihr mit solchen Händen tun?«
Danach behandelte und verband Mayli jeden Morgen die Hände des Mädchens, und so lernte sie Han Siu-chen näher kennen, die beständig errötete und lachte und betonte, daß ihre Hände gar nicht so schlimm seien.
Die zweite war ein dünnes, blasses Mädchen aus Tientsin, ein Stadtkind, an Reichtum gewöhnt, dessen Eltern vor dem Feind geflüchtet waren. Ihre Mutter hatte die Unbill nicht überlebt, ihre beiden Brüder waren gefallen; sie und ihr Vater waren allein übriggeblieben. Der Vater, ein alter, schwacher Mann, der nichts sonst zu geben hatte, bat sie, sich aufzumachen und auf irgendeine Weise ihre Brüder zu rächen. Als er merkte, daß sie nicht gehen wollte, weil ihm dann niemand blieb, der für ihn sorgte, nahm er ein schmerzlos wirkendes Gift, und als sie ihn eines Morgens tot fand, wußte sie, daß nun nichts mehr sie von seinem Geheiß entbinden konnte. Dieses Mädchen hieß Tao An-lan.
Das dritte Mädchen war sehr hübsch; es nannte sich Sung Hsieh-ying. Außer dem Bombardement der Stadt hatte sie noch nichts durchgemacht; sie war in dieser Stadt aufgewachsen, und ihr ganzes Empfinden galt der Liebe zu ihrem Vaterland. Vielleicht sehnte sie sich auch nach Reisen und Abwechslung, aber sie selbst hielt es für Vaterlandsliebe.
Die vierte war kein Mädchen, sondern eine junge Witwe, welcher der Feind ein Leid zugefügt hatte, von dem sie nichts erzählen wollte. Doch hatte sie sich als Soldat an den Kämpfen im Nordwesten beteiligt, war in Gefangenschaft geraten und geflohen; auf ihren mancherlei Fahrten war sie schließlich in diese Stadt gekommen, und als sie hörte, daß Truppen gen Westen gesandt werden sollten, hatte sie sich gemeldet. Sie hieß Mao Chi-ling.
Diese vier Frauen hatten, wie überhaupt alle, Krankenpflege erlernt; einige verstanden mehr davon als andere, aber alle beherrschten die Grundlagen.
Außer diesen vieren, die sich aus
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