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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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freien Stücken Mayli unterordneten und sich ihr anschlossen, gab es noch alle die andern, die sie mit jedem Tag immer mehr als ihre Führerin und als Verbindungsglied zu ihren Vorgesetzten betrachteten, und dies bewirkte eine Veränderung bei Mayli. Sie, die ihr ganzes Leben immer nur an sich selbst gedacht hatte, sah sich nun diesen jungen Frauen gegenüber, für die sie denken und planen mußte. Sie arbeitete den ganzen Tag, und nachts erwachte sie mit beklemmender Bangigkeit, weil sie fürchtete, etwas vergessen zu haben, das auf dem Marsch durch den Urwald gebraucht würde, um den nahenden Tod abzuwenden. Es gab keine Bücher, aus denen sie über die Reise hätte Kenntnisse beziehen können; so begann sie alle jene aufzuspüren, die schon im Westen gewesen waren. Sie befragte einen Fuhrknecht und einen Träger, einen Soldaten und einen Handelsreisenden, kurz jeden und alle, deren sie habhaft werden konnte.
    »Wie ist das Klima dort?« erkundigte sie sich.
    »So heiß, daß der Tee kühl ist«, antwortete der eine.
    »So regnerisch, daß die Kleider vermodern und einem vom Leib fallen«, lautete die Erwiderung eines anderen.
    »Die Insekten sehen in einem ein Geschenk des Himmels«, erklärte ein dritter.
    »Die Schlangen erheben sich vor Euch mitten auf dem Wege und begrüßen Euch als ihre tägliche Reisschale.«
    »Giftige Weinranken strecken ihre Arme aus.«
    »Die Sonne zieht einem Schädelhaut, Haare und alles ab.«
    »Fieber kriecht durch Eure sieben Öffnungen und schüttelt Eure Knochen wie Würfel in einem Becher.«
    »Die Flüsse liegen sanft und klein da, bis Ihr hinkommt, und dann werden sie zu Meeren und verschlingen Euch. Die Flußgötter dort sind sehr stark und böse, und sie sind alle vom Feind bestochen«, sagte ein alter Mann. Er war irgendwo in einen Fluß gefallen, und ein Krokodil hatte ihm das eine Bein abgebissen.
    Sie lauschte all diesen Erklärungen und entnahm den verschiedenen Darstellungsarten die Wahrheit, daß das Land, durch welches sie ziehen würden, voll Widerstände und Gefahren war, wo Krankheit und Unglück drohten. Ihre Pflicht bestand darin, gegen die Übelstände soweit wie möglich Vorsorge zu treffen. Medikamente würde Chung mitnehmen, sie aber kaufte für jede der Frauen ein Paar Lederschuhe zum Wechseln, und sie rollte breite Streifen des schweren Wollstoffes auf, der in den Bauernhäusern dieser Gegend gewoben wurde; diese Streifen sollten um die Beine gewickelt werden, damit die Insekten keinen Zugang fanden. Sie erstand einen Ballen Leinen, aus dem sie Netze zur Abwehr der giftigen Fliegen und Moskitos herstellte. Sie kam auch auf den Gedanken, kleine Vorratspäckchen mitzunehmen, für jede Frau eine Dose mit Dörrbohnen, Pökelfleisch und Kandiszucker. Alles mußte leicht und klein sein, denn wenn die Träger versagten, hatte jeder seine Last selber zu tragen, und nie durfte ein Mensch schwer beladen sein, weil allein das Atmen der schweren Urwaldluft eine Bürde bedeutete. Überall erzählte man sich von den ausländischen Soldaten, die so viel tragen mußten, um sich mit Annehmlichkeiten zu versehen, daß sie nicht schnell genug marschieren konnten, um den Feind einzuholen.
    Ein alter Soldat, der von einer Schlacht im Süden zurückgekehrt war, lehnte sich fluchend und lachend dagegen auf, eine zweite Uniform mitzunehmen. »Soll ich wie diese fremdländischen Schildkröten sein, die Sommer- und Winterkleidung mitschleppen und Regenschuhe und Regenmantel und Bettzeug und Nahrungsmittel und einen Sonnenhut und einen Regenhut und alles und jedes außer einem Haus? Ein Gewehr, all die Munition, die ich stehlen kann, ein zweites Paar Sandalen – das genügt. Ich kann mich unterwegs selber ernähren, und warum sollte ich mich vor dem Regen fürchten?«
    Dies war tatsächlich die Einstellung aller Soldaten. Sie wollten nur tragen, was ihnen im Kampf dienlich sein konnte. Jedem war sein Gewehr teurer als die eigene Person, und man bewachte sogar die Munition des Kameraden, denn es gab Leute, die Patronen stahlen, obzwar sie es für eine Sünde gehalten hätten, sich irgend etwas anderes anzueignen.
    Der Tag, dessen sie alle harrten, kam. Der General, der auf den Befehl des Allerhöchsten mit besonderer Ungeduld und mit großem Ärger gewartet hatte, war schon seit elf Tagen bereit. Er fluchte und schimpfte, irgendein Galgenstrick müsse an der Verzögerung schuld sein, denn warum ging man nicht, wenn man doch sah, daß die Gegner mit jedem Tag stärker wurden? Auf

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