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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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sie starrte Mayli an.
    »Der Tag meiner Abreise ist noch nicht bestimmt«, fuhr Mayli fort, »aber der Bote, der vorhin da war, brachte mir eine Nachricht von meinem Vorgesetzten. Ich muß nun hingehen und schauen, was man von mir wünscht. Du aber wirst hierbleiben und für Hund und Haus sorgen. Wenn du dich einsam fühlst, kannst du dir ja eine Frau suchen, die zu dir kommen soll.«
    Liu Ma hatte in ihrem langen Leben genügend Gelegenheit gehabt, sich an jähe Wechsel zu gewöhnen. So dachte sie gar nicht daran, in Tränen auszubrechen, aber was sie da gehört, gefiel ihr keineswegs, und da sie im Großen nicht widersprechen konnte, widersprach sie im Kleinen.
    »Warum sollte ich mir hier eine andere Frau wünschen, die ich füttern, mit der ich reden und um die ich mich die ganze Zeit kümmern muß? Lieber würde ich mit dem Hund, den ich kenne, allein bleiben.«
    »Tu nur, was dir beliebt«, sagte Mayli gutgelaunt. »Als einziges bitte ich dich, mir das Haus als Heim zu erhalten.«
    »Ich weiß nicht, ob das so selbstverständlich für mich ist«, entgegnete die Alte, die mürrisch auftreten wollte. »Dies ist nicht die Erde, auf der ich geboren bin, und wie soll ich wissen, ob du zurückkommst oder nicht? Du änderst vielleicht dein Ziel, und dann sitze ich hier und warte, bis ich sterbe, und vielleicht ist niemand an meinem Totenbett außer einem Hund.«
    »Jetzt bist du aber eine Nörglerin«, lachte Mayli. »Laß dir also gesagt sein, daß du nur hierzubleiben brauchst, wenn du Lust dazu hast, und wenn du fortgehst, schließ das Tor zu und nimm den Hund mit oder laß ihn da. In allen Dingen tu nur ruhig, was du magst, gute Seele.«
    Auf diese Weise kam sie aller Ursache zur Unzufriedenheit zuvor, und dies stimmte die Alte noch verdrossener. Sie ließ die Schalen klappern, während sie sie aufnahm, und sie fragte: »Warum schickt man dich mit einem Auftrag weg? Selbst im Traume könnte ich das nicht erraten.«
    »Da mußt du dich bei der hohen Dame erkundigen«, gab Mayli zur Antwort. »Auch ich möchte wissen, weshalb man mich fortschickt, aber man schickt mich nun einmal fort, und so muß ich gehen.«
    »Sie kennt dich nicht!« rief Liu Ma, »eigensinniges, wurzelloses Mannweib, das du bist! Was wirst du tun – ein Gewehr tragen und neben dem großen Soldaten marschieren?«
    Diese Worte stachen Mayli sehr tief, und so wurde sie wütend. Sie beugte sich vor und klapste Liu Ma auf die Wange. »Halt deinen Mund!« rief sie. »Ich weiß ja nicht einmal, ob ich dorthin geschickt werde, wo er hingeht. Wie abscheulich ist so ein alter Kopf, dessen Gedanken nur um Buhlerei und Wollust kreisen!«
    Daraufhin holte Liu Ma tief Atem. »Ich bin eine anständige Frau!« schrie sie. »Und meine Gedanken kreisen nur um den Wunsch, dich zu verheiraten, damit auch du anständig wirst, anstatt überall ungebunden herumzulaufen. Eine Frau ist einzig und allein anständig, wenn sie mit einem Mann verheiratet und hinter Mauern ist und die Mutter seiner Kinder wird.«
    »Du träumst, Alte«, gab Mayli zurück. »Ist dies die Zeit, um zu heiraten und Kinder zu kriegen und sich hinter Mauern einsperren zu lassen?«
    Sie sprach so ernst und bestimmt, daß Liu Ma erschrak und nichts mehr sagte. Sie fuhr mit ihrer Arbeit fort, allerdings schob sie dabei die Unterlippe in erbittertem Schmollen vor. Mayli traf Anstalten, der erhaltenen Weisung zu folgen. Ihr Zorn ließ auch sie schweigen; sie war überzeugt, daß sie nicht Shengs wegen westwärts zog, sondern nur, weil sie sich nützlich machen wollte.
    Zu Fuß begab sie sich zu dem Haus, das man ihr genannt hatte. Als sie sich dem Tor näherte, sah sie auch andere Frauen hineingehen, alle jung und kräftig und ernsten Ausdrucks. Sie gesellte sich zu ihnen und ging mit ihnen in ein großes Zimmer, wo zwei Männer hinter Schreibtischen saßen. Diese Männer schrieben die Namen der Frauen auf und schickten sie dann nach rechts, wo sie warten mußten.
    Als Mayli an die Reihe kam, wurde sie nicht zu den andern geschickt, sondern geradeaus durch eine offene Tür. Dort traf sie den Mann, der vor einigen Tagen als einziger Fahrgast mit ihr im Flugzeug gesessen hatte. Bei seinem Anblick wunderte sie sich, daß er damals nur gegrüßt und sonst gar nicht mit ihr gesprochen hatte. Da dem so war, brachte sie sich ihm nicht in Erinnerung. Sie stand vor ihm, bis er sie aufforderte, Platz zu nehmen; hierauf setzte sie sich und wartete, während er ein Aktenstück durchlas. Schließlich legte er es

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