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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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die vom Süden hereinsickerten; denn es gab immer Menschen, die vom Süden in die Stadt kamen, sei es, um zu handeln, sei es, um vor dem Kriege zu flüchten oder um die Große Straße zu bereisen; und alle diese Leute sagten das gleiche. Die Ausländer, die Engländer, waren längs des Flusses Salwin versammelt, aber der Feind hatte den Fluß schon weiter unten überschritten und die Stadt Martaban eingenommen. Bei Paan hielten sich die Engländer noch immer und feuerten unbarmherzig auf die feindlichen Schiffe, aber würden sie sich weiterhin halten können? Hatten sie die Absicht, sich zu halten?
    Sheng lauschte diesen Durchreisenden ebenso ernsthaft wie seine Soldaten.
    »Nicht, daß Martaban wichtig ist«, erklärte ihm eines Tages ein kleiner Hausierer, bei dem er ein Handtuch gekauft hatte. »Aber Martaban ist eine Brücke für die feindlichen Truppen, die von Thailand kommen. Über diese Brücke können sich die beiden gegnerischen Streitkräfte zu einer einzigen Streitmacht vereinen.«
    Dann richtete Sheng Fragen an diesen Mann, der von Geburt Inder und von niederer Kaste war und der infolge seiner Reisen die Gabe entwickelt hatte, die Farbe desjenigen Landes anzunehmen, in dem er sich gerade aufhielt. Doch war er auch flink und schlau, und er durchschaute alle Menschen.
    »Warum lassen die Engländer uns nicht hinein?« erkundigte sich Sheng unumwunden bei diesem Fremden.
    Der Mann lehnte sich vor und stützte seine dunklen Hände auf seine dunklen Knie. »Die Engländer wollen nicht, daß das Volk von Burma euch mit fremden Waffen bewaffnet und unter euren eigenen Führern kämpfen sieht«, erwiderte er. Sein Gesicht veränderte sich und wurde zu einer zitternden Maske des Hasses. »Die Engländer werden Burma verlieren«, fuhr er fort. »Das Volk von Burma wird sich gegen sie wenden. So haben wir überall die Möglichkeit, uns von den Engländern zu befreien.« Speichel floß in dünnem Strahl zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor, und Sheng schrak zurück.
    »Ihr seid nicht von Burma«, sagte er. »Warum geifert und haßt Ihr so?«
    »Wenn das Volk von Burma die Engländer nicht genügend haßt, dann kommt nach Indien und schaut, wie wir sie dort hassen!« versetzte der Mann. Seine Hände umkrallten seine Knie. Sheng berührte dieser Anblick verabscheuungswürdig.
    »Aber ich habe gehört, daß die Leute von Burma die Menschen von Indien ebensowenig lieben«, gab er zu bedenken. »Auch von euch möchten sie getrennt sein.«
    Der Hausierer zuckte heftig die Schultern, und seine dunklen Augen rollten unter den langen, gebogenen, schwarzen Wimpern.
    »Sie haben Saya San nicht vergessen«, erklärte er.
    »Saya San?« wiederholte Sheng, der diesen Namen noch nie gehört hatte.
    Der Hausierer wischte Saya San fort, indem er mit Daumen und Zeigefinger schnippte. »Er war ein Nichts … ein Niemand«, antwortete er, »ein unwissender Mann von Tharrawaddy, wenn er auch recht gut anfing. Er tötete einen Beamten; dann aber wandten sich seine dummen Anhänger gegen mein Volk, und seither … es ist alles sinnlos …«
    Er band seinen Turban auf und drehte ihn mit seinen langen, geschickten Fingern wieder zusammen. »Versteht, das Volk von Burma ist sehr unwissend. Die Leute können lesen und schreiben, aber sie sind sehr unwissend. Lachen bedeutet ihnen mehr als Freiheit. Außerdem …«, er grinste, und seine weißen Zähne blitzten, »sie hassen die Chinesen. Warum? Selbst die Götter wissen nichts über das Volk von Burma. Ja, aber ich weiß dieses eine. Die Leute hier werden den Engländern nicht helfen.«
    Sein Gesicht war wieder glatt, und er steckte seinen Ingrimm irgendwo in sein Inneres. Dort brannte er aus seinen Augen und bebte in seiner Stimme, als er das Wort ›Engländer‹ sprach, doch weiter ließ er ihn nicht kommen; und kurz darauf lud er sich sein Bündel auf und ging von dannen.
    Natürlich fanden solche Worte auch ihren Weg unter den Soldaten; sogar der General hörte davon, und eines Tages rief er seine Offiziere zu sich.
    »Wir können von uns selbst geschlagen werden, wenn wir es zulassen«, sagte er zu ihnen.
    Es war ein Februarabend, aber hier war die Luft so warm wie daheim im Juni. Über die Wand des Zimmers, in dem sie sich versammelt hatten, lief eine Eidechse, die mit ihrer zarten, raschen Zunge Mücken aufleckte. Sheng beobachtete das Tier, das unter einem Dachbalken hervorgekommen war, während er dem General zuhörte. Unter ihnen befand sich ein neuer Offizier, ein

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