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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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verlegen, wenn die andern sie bei einer Frau fanden.
    Als er sich sein Gelübde zurückrief, fühlte er, wie die Spannung im Körper nachließ. Seine Sehnsucht verging, und er schlief ein.
    Am nächsten Tag kam die Nachricht, daß der General erscheinen würde, und Sheng traf hastig Anstalten, sich zu ihm zu begeben und ihm Rapport zu erstatten. Nachmittags hatte er die Neuigkeit vernommen, und er verbrachte erst eine ganze Stunde damit, sich in einem Badehaus zu waschen. In diesem Badehaus waren sämtliche Angestellten Burmesen oder Menschen mit burmesischem Blut; alle waren lebhafte, schöne Burschen, die fröhlich miteinander lachten und ihrer Arbeit nur nachlässig nachgingen. Als Sheng eintrat, kam ihm ein junger Angestellter entgegen, dem eine rote Blume – Sheng kannte die Art nicht – hinter dem Ohr steckte, dessen Zähne rot waren vom Betelkauen und dessen Haut von Öl glänzte. Auf dem Kopf trug er einen rot und gelb gestreiften Seidenturban, doch als er in die dampfende Luft des Baderaums gelangte, nahm er den Turban ab, und da sah Sheng zu seiner Überraschung, daß der junge Mann lange Haare hatte, die ihm bis auf die Schultern fielen. Als er Shengs verwunderten Blick bemerkte, drehte er seine Haare fest zusammen und steckte sie zu einem Knoten auf dem Kopf fest.
    »Ich gehöre zur Bruderschaft«, sagte der junge Mann in gebrochenem Chinesisch, und Sheng beließ es bei dieser Auskunft. Hierauf zog der Mann sein kurzes baumwollenes Obergewand aus, um sich für seine Arbeit bereit zu machen, und da sah Sheng, daß sein Körper tätowiert war. Er nahm an, daß dies ebenfalls ein Merkmal der Bruderschaft sei, und sagte nichts. Aber die schlanken, weichen Arme des jungen Mannes waren seltsam kräftig; sie sahen fast aus wie die Arme eines Mädchens, doch hob er die Heißwasser-Eimer auf, als wären sie nichts.
    »Darf man fragen, was Eure Bruderschaft ist?« erkundigte sich Sheng, nachdem er geschrubbt worden war und unter heißem und kaltem Wasser geschwitzt und geschaudert hatte.
    Der junge Mann antwortete nicht sogleich. Dann gab er zurück: »Habt Ihr von Thakin gehört?«
    »Ich habe von nichts gehört«, sagte Sheng. »Ich bin erst gerade hier angekommen.«
    Wieder schwieg der junge Mann eine Weile. Schließlich rief er mit einer sonderbaren Erbitterung: »Weshalb seid ihr Chinesen hierhergekommen, um den Engländern zu helfen?«
    Darüber war Sheng so verdutzt, daß er seine Erwiderung erst überlegen mußte. Lebte diese Erbitterung sogar in den einfachsten Leuten? Schließlich sagte er: »Wir sind zu keinem andern Zweck hergekommen, als um die Ostmeer-Zwerge zu vertreiben, und sie sind eure Feinde sowohl wie unsere.«
    Darauf preßte der junge Mann seine vollen Lippen fest zusammen, und das Gespräch war zu Ende. Sheng bezahlte seine Schuld und gab dem Burschen, der seinen Turban wieder aufsetzte und sich die rote Blume hinters Ohr steckte, ein Trinkgeld. Sheng machte sich auf den Weg zum General.
    Der General war recht müde, aber er hatte sich keine Zeit zum Ausruhen genommen, sondern sich mit seinen Leuten abgegeben und all jenen, die, wie Sheng, zur Berichterstattung gekommen waren. Jetzt saß er in einem kleinen Zimmer in dem Gasthof, den er als Standquartier gemietet hatte. Als er Sheng sah, machte er ihm ein Zeichen, zu warten, während er einen Brief las, den er in der Hand hielt. Es warteten schon andere, doch der General achtete auf niemanden, solange er las. Schließlich faltete er den Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche.
    »Wer ist der erste?« fragte er die Wartenden.
    »Ich möchte der letzte sein, großer Bruder«, sagte Sheng.
    »Dann setzt Euch«, forderte ihn der General auf, und so ließ Sheng sich nieder und wartete, während einer nach dem andern seine Fragen stellte und Bericht erstattete. Es dauerte über eine Stunde, bis Sheng an die Reihe kam. Der General, jetzt rechtschaffen müde, lehnte sich zurück und seufzte.
    »Schließt die Tür«, befahl er Sheng. »Aber erst laßt frischen Tee kommen. Ich bin durstig.«
    Sheng rief den Auftrag einem Soldaten zu, der kurze Zeit darauf mit einer Kanne heißen Tees kam. Der General füllte zwei Schalen, nötigte Sheng zu trinken und leerte seine eigene Schale zweimal. Sheng wartete darauf, daß der General sich nach seinem Begehren erkundigen würde. Aber der General fragte nicht, auch dann nicht, als er seinen Durst gestillt hatte. Statt dessen öffnete er seinen Uniformkragen und saß mit verstörter Miene da, und er

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