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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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können wir uns neu formieren und mit den Engländern die Front bereinigen.« Der Amerikaner zögerte und fuhr dann widerstrebend fort: »Ich schlage vor, daß Ihr Eure Leute etwas von den andern absondert … sagen wir, laßt sie dort drüben, jenseits des Flusses, lagern. Es ist besser, Streitigkeiten unter müden Männern zu vermeiden.«
    »Streitigkeiten!« wiederholte der General hoheitsvoll. »Meine Leute werden keinen Streit anfangen.«
    Jetzt mischte sich Charlie mit einem Lächeln ein. »Der Amerikaner meint, daß die Weißen uns nicht gern in ihrer Nähe haben. Jedenfalls sollten wir daran denken, daß wir nicht weiß sind. Wir wollen uns für uns halten.«
    Dem General schoß die Röte in das schweißbedeckte Gesicht. »Das sagt uns auch mehr zu«, erklärte er.
    Der Amerikaner sah ernst aus, und seine Stimme hatte einen bittenden Ton, als er sprach: »Wir haben eine schlimme Aufgabe vor uns, falls wir nicht alle das Leben einbüßen. Laßt uns hinnehmen, was eine Tatsache ist, und einer des andern Fehler vergessen. Ihr mögt denken, was Ihr wollt, aber in Gottes Namen vergeßt es und helft uns. Nachher – wenn die Schlacht gewonnen ist – könnt Ihr Euch rächen. Jetzt aber …« Er machte eine Handbewegung und wandte sich ab, zog sein Taschentuch hervor, das naß und schmutzig war, wischte sich die Stirn damit ab und lüftete den Tropenhelm, um sich über den kahlen Schädel zu fahren. »Es bleiben uns vielleicht nur noch Minuten«, sagte er. »Der Angriff kann gleich wieder beginnen.«
    »Er hat recht«, bemerkte Charlie zum General.
    Einen Augenblick stand der General regungslos da, im Kampf mit sich selber. Dann salutierte er scharf, drehte sich auf dem Absatz herum und rief seinen wartenden Leuten zu: »Männer! Antreten! Linksum – marsch!«
    Die Soldaten traten in Reih und Glied, machten kehrt und marschierten zu dem kleinen Fluß, den sie planschend durchquerten, wobei sie bis zu den Hüften naß wurden, und erkletterten dann das jenseitige Ufer.
    Der Amerikaner schaute ihnen nach; sein erschöpftes Gesicht trug einen traurigen Ausdruck. Seine Schulterbeine standen unter dem nassen Hemd vor, und seine Hände hingen wie Gewichte an seinen Seiten hinab. Wer wußte, was er dachte?
    Sheng, der mit seinen Soldaten an ihm vorbeimarschierte, betrachtete ihn neugierig. Das also war der Amerikaner! Er sah alt aus, zu alt für dieses Leben. Ein so alter Mann sollte daheim bei seinen Kindern sein. Gab es in Amerika keine jungen Männer? Er war auch sehr mager; sein Ledergürtel reichte fast zweimal um seine schmale Leibesmitte herum. Die Sehnen standen an seinem dünnen Hals hervor, und sein Gesicht war so hager, daß die Ohren ganz groß wirkten. Große Ohren aber waren ein Zeichen für Güte und Klugheit – das hatte Shengs Mutter immer gesagt.
    Der Amerikaner, der den Blick aus Shengs kühnen jungen Augen auffing, lächelte plötzlich.
    »Habt Ihr gegessen?« grüßte er.
    »Wie kommt es, daß ich Eure Sprache verstehe?« fragte Sheng erstaunt und blieb stehen, wo er sich gerade befand.
    »Warum auch nicht, wenn ich Eure Sprache spreche?« gab der Amerikaner zurück. »Zwanzig Jahre habe ich in Eurem Land verbracht.«
    »Fast so lange wie ich«, sagte Sheng mit dem ihm eigenen breiten Lächeln.
    »Ihr seid jung – ein Knabe noch«, bemerkte der Amerikaner. »Ich könnte Euer Großvater sein.«
    Sheng empfand mit einem Male eine starke Zuneigung zu dem Amerikaner. »Es ist wahr, daß Ihr zu alt seid«, meinte er höflich. »Ihr solltet in Eurem Heim ausruhen.«
    Bei dem Wort ›Heim‹ beschatteten sich die hellblauen Augen unter dem abgenutzten Tropenhelm, den der Amerikaner trug. »Es ist besser, nicht ans Heim zu denken und nicht davon zu reden«, entgegnete er trocken. »Wer hat heute noch ein Heim?«
    »Meines Vaters Haus steht noch immer«, erklärte Sheng stolz.
    »Wo?« fragte der Amerikaner.
    »In der Nähe der Stadt Nanking«, gab Sheng Bescheid.
    Dann ging Sheng weiter, während der Amerikaner die lange Reihe von Männern an sich vorbeiziehen ließ, bis die letzten bei ihm anlangten, die Träger und dann der Arzt mit den Frauen. Dem Arzt und den Pflegerinnen gebot er Halt.
    »Bleiben Sie bitte, Herr Doktor«, sagte er zu Chung. »Es wäre sehr liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie sich unserer Verwundeten annehmen würden, bevor die Fliegen sie auffressen.«
    So bekam Mayli, als sie zu den Verbündeten stieß, nur eine Schar hungriger, schmutziger, müder Männer zu sehen. Ihre

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