Das Geloebnis
angehören mochten! Aber nicht in einer solchen Zeit.
»Sind sie nicht sehr wild, diese behaarten jungen Männer«, fragte Pansiao neben ihr ängstlich.
»Nein«, entgegnete sie kurz. »Sie sind gar nicht wild. Aber sie sind hungrig und müde und vielleicht gerade dem Tod entronnen.«
Sie war selber hungrig und müde. Sie seufzte, und plötzlich wünschte sie von ganzem Herzen, daß der Krieg vorbei wäre.
Wo blieb der Schlachtenruhm? Als der General die verstreuten müden Männer betrachtete, die seine Verbündeten waren, wünschte er ungeboren zu sein. Kein Wort kam über seine Lippen, aber sein Herz wurde zu Stein. Dies waren keine Verbündeten, sondern Lasten, die zu all den andern Lasten kamen – dem fremden Land, der fremden Bevölkerung, dem in jeder Weise überlegenen Gegner. Er hatte gehofft, daß durch die Vereinigung der beiden Streitkräfte wenigstens etwas Stärkeres entstehen würde als beim Getrenntsein. Als er sie anschaute, wußte er jedoch, daß er Schwäche hinzunahm, nicht Stärke, wenn er sich mit diesen Leuten verband.
Trotzdem marschierte er standhaft durch ihre Reihen, ohne auf ihre spärlichen, schwachen Willkommensrufe zu achten. An seiner Seite befand sich jetzt Charlie Li, denn der General beherrschte nur seine eigene Sprache, und er wußte, daß er sich mit dem Amerikaner in Verbindung setzen mußte, den der Präsident über ihn gestellt hatte.
Er wandte sich an seine Leute. »Ihr könnt mal ausruhen und essen«, verkündete er, und das Wort ging die ganze Kolonne hinunter. »Es ist unbestimmt, wann die Schlacht weitergehen wird.«
Denn zum Glück war die Schlacht gerade abgebrochen worden, nachdem sie die ganze Nacht getobt hatte; nicht einmal Flugzeuge tauchten am Nachmittagshimmel auf. In diesem kurzen Frieden hatten sich die Soldaten auf den Boden geworfen, wo immer sie nur ein bißchen Schatten finden konnten; einige lagen bäuchlings da, andere auf dem Rücken, den Hut über den Augen; etliche saßen, die Stirn auf die Knie gelegt, neben sich das Gewehr. Die neuangekommenen Chinesen standen schweigend da und betrachteten zweiflerisch ihre Verbündeten. Mehrere Weiße, die sie da stehen sahen, hoben müde den Arm zum Gruß, einige lächelten, andere riefen einen heiseren Gruß; die meisten aber saßen oder lagen einfach stumm da, als ob ihre Erschöpfung keinen Willkomm zuließe.
Durch diese müden Männer ging der General, und bald sah er die schlanke Gestalt auf sich zueilen, in der er den Amerikaner erkannte. Beide blieben stehen, salutierten voreinander, und dann hörte der General zu seiner Überraschung den Amerikaner chinesisch sprechen. Er hatte zwar vernommen, daß der Amerikaner chinesisch könne, doch hatte er das nicht wirklich geglaubt. Immerhin verstand er recht gut, was der andere vorbrachte. Er sprach nicht tadellos, und seine Kenntnisse stammten entschieden von gewöhnlichen Leuten, aber der Sinn war klar.
»Ich grüße Euch«, begann der Amerikaner. »Ich fürchte nur, daß Ihr zu spät kommt«, fügte er kurz hinzu.
»Es ist nicht meine Schuld, wenn wir zu spät kommen«, entgegnete der General kühl. »Viele Tage hat man uns an der Grenze warten lassen.«
»Es war nicht leicht, für so viele Leute Reis zu finden«, sagte der Amerikaner.
»Wir hätten unsern Reis selber finden können«, gab der General zurück. »Das teilten wir auch mit.«
»Was für Irrtümer und Mißverständnisse es auch gegeben haben mag«, meinte der Amerikaner, »wir wollen lieber daran denken, daß wir Verbündete sind. Die einzige Hoffnung, die uns bleibt, besteht darin, daß wir miteinander arbeiten und nicht gegeneinander. Seid Ihr auf einen Angriff vorbereitet?«
»Wir haben nichts anderes im Sinn«, sagte der General.
Mittlerweile hatte er jedoch erkannt, daß er und dieser Amerikaner sich nicht lieben würden, und zweifellos hatte der Amerikaner es auch erkannt. Dieses Wissen sprach aus seinen scharfsinnigen blauen Augen und aus seiner trockenen Stimme. Er blickte an dem General vorbei.
»Eure Leute sehen wohlauf aus«, bemerkte er ruhig. »Das ist ein erfreulicher Anblick.«
»Meine Leute sind an Mühsal gewöhnt«, erklärte der General stolz. »Sie können fünfundvierzig Kilometer am Tag marschieren, sich dabei selber verköstigen und alles tragen, was sie brauchen.«
»Dann rate ich Euch, so bald wie möglich im Westen anzugreifen. Die Gegner haben sich in der Stadt verschanzt, deren Pagode Ihr über den Hügeln dort seht. In der Deckung Eures Angriffs
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