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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pearl S. Buck
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dünkte es sie, als könnte sie an einem solchen Tag nicht bis zum Abend warten, denn wußte jemand, wer am Ende des Tages leben und wer tot sein würde?
    »Nimm dein Leben in acht«, sagte sie, und ihre Augen flehten. »Sieh zu, daß die Nacht dich in Sicherheit findet.«
    Sein heißes, dunkles Gesicht schien plötzlich zu flammen. »Glaubst du, ich könnte sterben? Heute abend, nach Sonnenuntergang?«
    Er drehte sich um und schritt zwischen den Soldaten davon, die ringsum auf der Erde lagen. Sie blickte der großen, hageren Gestalt eine Weile nach, bis sie fühlte, wie eine kleine Hand sich in die ihre legte.
    »Wer ist der große Mann dort, Schwester?« hörte sie Pansiaos Stimme flüstern. Neuerdings hatte Pansiao begonnen, sie Schwester zu nennen, und Mayli ließ es zu, wußte sie doch, wie einsam das junge Mädchen war.
    Sie wandte den Kopf und sah in Pansiaos verwunderte Augen. Da brach sie in Lachen aus.
    »Wie konnte ich dich vergessen!« rief sie. »Wirklich, ich vergaß dich, du kleines Ding. Nun, das ist dein Bruder, Kind, dein dritter Bruder! Wir haben uns gefunden.«
    Pansiao blickte hinter dem jungen Mann drein, aber er war schon unter den Männern verschwunden. »Soll ich ihm nachlaufen?« fragte sie.
    Mayli schüttelte den Kopf. »Dazu ist jetzt keine Zeit«, entschied sie. »Wir müssen unsere Pflicht tun. Aber heute abend, nach Sonnenuntergang, wird er kommen. Und du mußt mir helfen, ihn abzupassen.«
    Sie zog Pansiao mit sich, während sie sprach, und zusammen beugten sie sich über einen Engländer, der auf allen vieren dahinkroch, um den geringen Schatten eines beschädigten Lastwagens aufzusuchen. Sein Kopf hing hinab, so daß sein Gesicht nicht zu sehen war.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« fragte Mayli.
    Mit ungeheurer Anstrengung hob er den Kopf beim Klang ihrer Stimme und der englischen Worte. Da gewahrte sie, was alles in ihrer Seele auslöschte außer dem Elend dieses Mannes. Der untere Teil seines Gesichts war fort. Er hatte keinen Mund, um zu sprechen, weder Kinnbacken noch Nase. Nur seine schreckerfüllten Augen schauten in Pein zu ihr auf.
    Beide faßten sie den Mann unter den Schultern und zogen ihn in den heißen Schatten des Lastwagens. Mayli bettete ihn so, daß wenigstens sein Kopf im Schatten ruhte; dann entnahm sie dem Kästchen, das sie bei sich trug, eine Spritze, stach die Nadel in seinen Arm und ließ ihn ihre andere Hand packen. Als sie seinen Griff schwächer werden fühlte und seine glänzenden Augen trüb und stumpf werden sah, legte sie seine Hand auf die trockene Erde und verließ ihn. Es waren andere da, die sie vielleicht retten konnte.
    Dies aber war das Elend dieses Tages, daß der große Rückzug fortdauerte, während sie ihre Arbeit taten. Lebend und sterbend – sie mußten sich fort- und fortbewegen. Mayli wußte, daß rings um sie die Schlacht tobte, aber sie achtete dessen nicht, arbeitete unablässig weiter, während die übrigen Frauen desgleichen taten und der Arzt in einem Wagen unter einer Plane operierte. Doch immer wieder erging der Befehl, daß sie sich noch weiter zurückziehen mußten. Denn eine Schlacht kann nicht im ganzen gesehen werden. Sie setzt sich aus vielen kleinen Bewegungen zusammen, aus vielen Männern und Frauen, und ein jeglicher ist ein Teil des Ganzen, das nicht gesehen noch begriffen werden kann. Der einzelne muß sich fortbewegen, wenn er den Befehl erhält, und er bewegt sich in der Richtung, die ihm angewiesen wird, aber den Grund kennt er nicht, noch fragt er danach.
    Den ganzen heißen Tag hindurch befaßte sich Mayli mit einem Verwundeten nach dem andern, und beständig wurden neue gebracht, die sterben oder den Lebenskampf fortsetzen sollten. Wenn sie vor Müdigkeit ermattete, sah sie auf Chung, und dann wußte sie, daß sie nicht ruhen durfte, weil er es nicht tat. Er hatte sich ein Tuch um den Kopf gebunden, damit ihm der Schweiß nicht in die Augen rann; aber der Schweiß lief ihm über die Wangen und an seinen bloßen Armen hinunter; er tropfte von seinen Fingern, während Chung in Menschenfleisch schnitt und Adern abband. Und die Verbände, welche die ihm folgenden Pflegerinnen anlegten, sobald die Operation beendet war, wurden feucht vom Schweiß der Frauen. Wer aber konnte sich in dieser gänzlich erbarmungslosen Hitze abtrocknen? Sie tranken, was sie an Wasser sahen; in Eimer, die von einem ausdörrenden, schmutzigen Fluß gebracht wurden, goß Chung eine oder zwei Flaschen irgendwelcher Chemikalien, worauf er

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