Das Generationenschiff
hineinzukriechen. Für jemanden ohne Schiffsausbildung hatte er seine Sache bemerkenswert gut gemacht, aber diese Sackgasse in einem engen Schacht war zuviel für ihn. Sie konnte plötzlich seinen Angstschweiß riechen; seine Hand auf ihrem Bein zitterte.
»Schon gut«, sagte sie in einem Ton, den sie sonst nur gegenüber einem nervösen Neuling auf seinem ersten Kreuzflug angeschlagen hätte. »Er ist an uns vorbei, das ist das Wichtigste. Folgen Sie mir nach oben, aber leise.«
Es war nicht allzu weit bis zu einer kreisrunden Luke gegenüber der Leiter, die sich leicht erreichen ließ. Sassinak hatte gerade ihre Hand um den Verschlußring geschlossen und wollte daran ziehen, als er ihr aus der Hand gerissen wurde und plötzlich ein blendender Lichtstrahl auf sie fiel.
»Na so was.« Die Stimme klang schroff und nur leicht überrascht. »Was haben wir denn da? Diesmal nicht die Pollys.«
Sassinak blinzelte und konnte so eben eine dunkle Gestalt erkennen, die von weiterem Licht umspielt wurde, und den Lichtschimmer auf einer schmalen Röhre, zweifellos einer Waffe.
»Wie viele?« wollte die Stimme wissen.
Sassinak überlegte, ob Aygar sich unter ihr verstecken könnte, kam aber zu dem Schluß, daß es bei seinem Anfall von Klaustrophobie wohl nicht in Frage kam.
»Zwei«, sagte sie knapp.
»Ihr kommt da sofort raus«, sagte die Stimme.
Die Lichtquelle zog sich gerade soweit zurück, daß Sassinak Platz hatte. Sassinak stieg mit den Füßen voran in die Öffnung und rutschte aus einer hüfthohen Luke in einen horizontalen Tunnel. Aygar folgte ihr. Sein gebräuntes Gesicht war blaß um Mund und Augen und tropfte von Schweiß. Sorgfältig, so wie sie es an Bord ihres Schiffs getan hätte, schloß Sassinak die Luke und betätigte den Verschlußmechanismus.
Ihnen stand fünf zerlumpte Gestalten in oft geflickten Overalls gegenüber. Zwei hielten Waffen in den Händen, die wie Sturmgewehre der Infanterie aussahen. Ein anderer hatte ein langes Messer, das er in ein Stück Metallrohr gesteckt hatte, und einer hielt die Lampe, die Sassinak und Aygar immer noch blendete. Der letzte lehnte an der Wand und betrachtete sie mit einer Mischung aus Gier und Abscheu.
»Habt ihr da oben den Alarm ausgelöst?« fragte er. Dieselbe rauhe Stimme von einer untersetzten Gestalt, die ein Mann oder eine Frau sein konnte – es war schwer festzustellen, wenn eine solche Ansammlung von Lumpen den Körper verhüllte.
»Nicht mit Absicht«, sagte Sassinak. »Wir haben uns ein wenig verlaufen.«
»Nicht nur ein wenig. Mach das Licht aus, Jemi.«
Die Lampe wurde ausgeschaltet, und Sassinak schloß für einen Moment die Augen, um sich daran zu gewöhnen. Als sie die Augen wieder öffnete, stopfte die Frau, die die Lampe gehalten hatte, sie gerade in einen Rucksack. Die Gewehre hatten sich nicht gerührt. Sassinak auch nicht. Aygar gab hinter ihr einen unentschlossenen Laut von sich, der nicht ganz wie ein Knurren klang. Sie nahm an, daß ihm der Anblick des selbstgebauten Speers gefiel. Die Person, die gesprochen hatte, stieß sich von der Wand ab und beobachtete sie.
»Könnt ihr mir einen Grund nennen, warum wir euch nicht an Ort und Stelle abschlachten sollten?«
Sassinak grinste. Das war eine prahlerische Drohung, kein Entschluß.
»Das würde neben dem Schacht, aus dem wir gekrochen sind, eine ziemliche Sauerei hinterlassen«, sagte sie. »Wenn jemand uns hierher folgen würde …«
»Man wird euch folgen«, sagte einer der Männer mit den Gewehren. Der Lauf ruckte einen Fingerbreit zur Seite. »Wir sollten verschwinden, Cor …«
»Moment mal! Die beiden sind kein solcher Abschaum, wie er uns hier sonst über den Weg läuft, und oben ist jede Menge los. Wer seid ihr?«
»Wer sind die Pollys?« konterte Sassinak.
»Ihr werdet vom Insystem-Sicherheitsdienst der Föderation verfolgt und wißt nicht, wer die Pollys sind?«
Ein ähnlich kalter Schauer wie in dem Moment, als sie den Namen Parchandri gehört hatte, lief ihr den Rücken hinunter. Die aktiven Teile des Insystem-Sicherheitsdienstes sollten sich darauf beschränken, die Sicherheit der Regierungsstellen zu gewährleisten. Sie hatte angenommen, ihre Verfolger seien gedungene Killer der Planetenpiraten oder (schlimmer noch) eine Einheit der Stadtpolizei.
»Ich habe nicht gewußt, daß die hinter uns her sind. Orangefarbene Uniformen?«
»Sturmtruppen. Sondereinsatzkommandos. Ach, was soll’s! Ihr sagt uns jetzt sofort, wer ihr seid, oder ihr seid auf der Stelle
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