Das Generationenschiff
Seinem Verhalten nach zu urteilen, war er mit sich zufrieden. Sassinak hatte ihre Zweifel.
Er war ein auffälliger junger Mann und durchaus attraktiv, wenn man auf Muskeln und ebenmäßige Züge stand, und sie mußte zugeben, daß es bei ihr so war. Aber wäre ihre subtile Rivalität mit Lunzie nicht gewesen, hätte er sie kaum gereizt. Sie mochte erfahrene Männer, mit denen sie sich austauschen konnte, Flottenoffiziere ihres Rangs oder knapp darunter. Er hatte alles, um junge Frauen wie Fähnrich Timran zu beeindrucken. Keine Frau hatte etwas gegen die begehrlichen Blicke eines jungen Mannes, solang er sich respektvoll verhielt. Aber Aaygar paßte nicht in diese Kategorie und auch in keine andere.
»Commander? Die Andockstation der Zentrale will Sie sprechen.«
Sie schreckte aus ihren Grübeleien und marschierte durch den Korridor auf die Brücke. Sie hatte noch mit keinem Schiff an die Föderationszentrale angedockt. Die wenigsten konnten das von sich behaupten. Die Flotte beschützte die Föderationszentrale, war hier aber in Truppenstärke nicht besonders gern gesehen. Manche Rassen, vor allem Menschen, fürchteten Militäraufstände und Putsche. Deshalb durften Schiffe sich nur langsam nähern, mußten weit vor dem System auf Unterlichtgeschwindigkeit abbremsen und auf einem (zeitraubenden und treibstoffintensiven) Zickzackkurs diverse Kontrollposten anfliegen, wo Abwehrsatelliten ihre äußere Erscheinung und ihre Befehle überprüften.
»Commander Sassinak, FES-Kreuzer Zaid-Dayan«, sagte Sassinak.
»Ach ja … Commander … äh … die Föderation verlangt von allen eintreffenden Kriegsschiffen, daß die Bewaffnung vollständig gesichert sein muß, bevor ein Schiff die äußere Abschirmung passieren darf.«
Sassinak runzelte die Stirn und fing einen Blick von Arly auf. Die Zaid-Dayan konnte es tatsächlich mit den meisten planetaren Verteidigungsanlagen aufnehmen. Sassinak hatte Verständnis dafür, warum manche Föderationsmitglieder nervös wurden, wenn über ihren Köpfen ein schwer bewaffneter Schlachtkreuzer mit menschlicher Besatzung kreiste. Aber ihr Vertrauen in den Sicherheitsdienst der Flotte war zur Zeit arg begrenzt. Sie wollte ihr Schiff nicht wehrlos machen.
»Sichern«, sagte sie mit einem Nicken zu Arly.
Arly runzelte die Stirn, aber mehr aus Konzentration denn aus Unzufriedenheit. Sie hatten bereits besprochen, was sie tun würden. Es blieb abzuwarten, ob es funktionieren würde. Die technische Herausforderung war jedenfalls interessant, dachte Sassinak und sah zu, wie Arlys Hände am Steuerpult hantierten.
In der Föderation gab es nur eine telepathisch veranlagte Rasse, nämlich die Weber. Weil die Weber gewöhnlich gut mit Menschen auskamen und nichts davon hatten, wenn sie Flottenschiffe entwaffneten, war es unwahrscheinlich, daß sich ein Weber beschweren würde. Die Seti würden sich mit Sicherheit über alles beschweren, was ihnen auffiel, und die pazifistischen Mitglieder der Föderation, die Bronthin, wären durchgedreht, wenn sie Bescheid gewußt hätten. Aber würden sie etwas bemerken? Würden sie der Bewaffnung dieselbe Aufmerksamkeit wie Sassinak und Arly widmen?
Die auffälligeren Teile der Bewaffnung, die in den Schiffsunterlagen aufgeführt wurden, mußten gesichert werden. Das bedeutete in diesem Zusammenhang, daß die Steuerschaltkreise lahmgelegt, die Projektile entfernt und in verschlossenen Kammern deponiert und die Energiezufuhr der EM-Projektoren und optischen Systeme gekappt werden mußte. Eine Sicherheitsmannschaft der Föderationszentrale würde an Bord kommen und den Zugang zu diesen Bereichen des Schiffs überwachen, um zu verhindern, daß jemand ein Geschoß abfeuerte oder etwas mit einem Laser grillte.
Aber die Kampfstärke der Zaid-Dayan beruhte nicht bloß auf ihrer offiziell verzeichneten Bewaffnung. Die gefährlichste Waffe, die einem je zur Verfügung stehen wird, hatte einer von Sassinaks Ausbildern an der Akademie einmal gesagt, befindet sich unter der eigenen Schädeldecke. Die Waffen, die man sehen oder in der Hand halten kann, sind nicht mehr als Metall- und Plastikklumpen.
Arly und Sassinak hatten sich Möglichkeiten überlegt, um die Steuerschaltkreise zu umgehen, und es geschafft, daß die Displays saubere Werte anzeigten, die Systeme aber immer noch funktionierten. Auf die Projektilgeschosse mußten sie allerdings verzichten, denn schließlich konnte sich jeder mit eigenen Augen davon überzeugen, ob noch etwas in der Röhre steckte.
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