Das Generationenschiff
Sie schienen zu glauben, daß Kreuzermannschaften in obszönem Luxus lebten und obendrein allen Ruhm einheimsten. Ford gab gern zu, daß ein Nachschubtransport weniger aufregend war als eine Piratenjagd, aber am dritten Tag hatte er die Nase voll davon, um Luxus beneidet zu werden, den er nie genossen hatte.
Tante Q. warf ihm einen Blick zu, der andeutete, daß sie alles im Griff hatte, drehte sich um und sprach in ein Mikrophongitter hinein. »Sam, mein Großneffe ist endlich eingetroffen. Wir sind also beim Essen zu dritt, und ich erwarte, daß Sie Ihr Bestes geben.«
»Ja, Madame.«
Ford wünschte, er hätte weglaufen können, wußte aber, daß es keinen Ausweg gab. Die Mannschaft des Tankers hatte darauf bestanden, daß er mit ihr aß, und sein Magen bäumte sich immer noch auf.
»Hast du dir etwas zum Anziehen mitgebracht?« fragte Tante Q. und sah Ford noch einmal scharf an.
Aber man hatte ihn vorgewarnt. Ein Teil seiner Auslagen war für Kleidungsstücke draufgegangen, die Tante Q. bei einem Gentleman für obligatorisch hielt.
»Natürlich … es könnte aber sein, daß die Sachen ein wenig aus der Mode sind …«
Sie strahlte ihn an. »Aber ganz und gar nicht, mein Lieber. Männerkleidung kommt nicht so leicht aus der Mode. Das ganze Gerede, an welches Bein man die Bänder heftet, ist doch Unsinn. Ein schwarzer Schlips reicht, Junge. Es kommt schließlich niemand zu Besuch …«
Tante Q.s liebste Herrenmode war vor dreißig Jahren aktuell gewesen, eine Neuentdeckung der europäischen Herrengarderobe, die man im neunzehnten Jahrhundert auf der Alten Erde getragen hatte. Ford hielt die Sachen für lächerlich, aber das traf auf jede feine Kleidung zu und mußte wahrscheinlich so sein. Die Flotte erwartete nicht, daß man bestimmte Kleidung trug, sondern nur, daß man seine Arbeit tat. Er dachte daran, als er sich in seiner riesigen Passagierkabine im Spiegel betrachtete. Die Kabine war so groß wie Sassinaks Privatkabine und Büro an Bord der Zaid-Dayan zusammengenommen und mit Möbeln eingerichtet, die so teuer waren wie ihr Schreibtisch. Seine schwarze, korrekt sitzende Krawatte steckte zwischen steifen weißen Kragenspitzen. Teure Kragenknöpfe hielten die gestärkten Hemdaufschläge zusammen (gewöhnliche Knöpfe galten als langweilig und alltäglich) und Manschettenknöpfe die Manschetten. Es sah vollkommen lächerlich aus, und er konnte nicht anders, als sich selbst anzugrinsen. Er rückte mit einem Achselzucken die eng sitzende Smokingjacke zurecht. Wie seine Ausgehuniform betonte sie breite Schultern und eine schmale Taille, sofern man sie hatte, oder wurde mit einem weißen, weiten Hemd getragen, wenn nicht. Er trug bereits die engen schwarzen Hosen und die Lackschuhe. Er sah, seinem Empfinden nach, wie die Karikatur eines viktorianischen Dandys aus.
Im Spiegel erschien ein Gesicht hinter ihm: überheblich, halsstarrig, das ergrauende Haar zu komplizierten Locken und Haarrollen hochgesteckt, ein Diamantcollier um den faltigen Hals. Ihr Kleid, das kunstvoll so drapiert war, daß es vortäuschte, was sie in Wirklichkeit nicht mehr zu bieten hatte, war eine glänzende Masse aus schwarzem, mit silbergrauen Fäden durchwirktem Stoff. Aus ihrer Frisur ragten drei große Federn hervor, die in Grün- und Silbertönen schimmerten. Ford blinzelte. Das waren doch wohl keine …?
Sie zwinkerte ihm zu, und er mußte grinsen. »Ja genau, mein Lieber«, sagte sie. »Schwanzfedern von Ryxi, und du solltest mal hören, wie ich sie bekommen habe.«
Kaum zu fassen, aber dieser Besuch würde ihm Spaß machen. Kein Wunder, daß sein Vater so überwältigt gewesen war; kein Mann unter fünfunddreißig hätte eine Chance gehabt. Ford machte eine schwungvolle Verbeugung, die sie als angemessenes Zeichen seiner Wertschätzung hinnahm, und hielt ihr den Arm hin. Die Berührung ihrer Hand war sanft, aber fest. Sie führte ihn unaufdringlich in ihr Speisezimmer.
Die dritte am Tisch war neben Ford und Tante Q. ihre ›Bekannte‹, die als Madame Flaubert vorgestellt wurde. Fords hervorragende Erziehung erinnerte ihn an alle denkbaren gesellschaftlichen Zusammenhänge, und sein in der Flotte geschultes Mißtrauen regte sich. Madame Flaubert hatte schauderhaft rotes Haar, einen noch üppigeren Busen als Tante Q. und trug eine verzierte Brosche, die groß genug war, um eine kleine Schußwaffe darunter zu verstecken. Die beiden Frauen verständigten sich mit gehobenen Augenbrauen, vielsagendem Nicken und Achselzucken, und
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